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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels
Autoren: Kay Cordes
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mit einer Köhlerin denke. Aber hat sich einer von euch jemals gefragt, was einem Jacob Aufreiter durch den Kopf gegangen sein mag, als er Hanna, dem Geist Barbaras, wiederbegegnete? Warum eigentlich möchte er Hanna bis in den Tod bannen? Denn der Vorwurf der Hexerei ist doch nur ein Vorwand. Was hat ihm einst jene Barbara, ein Kind, angetan? Ich kann es euch sagen – und damit erhärtet sich ein schrecklicher Verdacht.» Sie ging vor dem Kamin auf und ab und tat, als müsse sie sich sammeln und erst die richtigen Worte suchen. Schließlich fuhr sie fort: «Ich bin fünf Jahre älter als mein Bruder und mochte Barbara nicht sonderlich   … vielleicht, weil ich auf ihre Schönheit eifersüchtig war.» Sieblieb stehen und schaute ihren Bruder an. «Es war die Zeit, Ulrich, als Vater dich zur Ritterausbildung nach Mergentheim schickte. Barbara hielt sich viel an eurem Lieblingsplatz auf der steilen Lichtung auf. Eines Tages traf ich sie dann in Steinbach. Ich war zu Besuch, weil ich Hedwigs Eltern überreden wollte, sie auch ins Kloster zu schicken, doch da hieß es: Sie wolle sich mit dem älteren der beiden Aufreiter-Zwillinge verloben. Kurz bevor ich wieder nach Rothenburg aufbrach, wollte Barbara unter vier Augen mit mir sprechen. Was sie erzählte, klang zu ungeheuerlich, als dass ich ihr Glauben schenkte: Sie sei unfreiwillig Zeuge geworden, wie Jacob Aufreiter seinem Zwillingsbruder hinterrücks einen Prügel ins Kreuz geworfen habe, worauf dieser vom Pferd gestürzt sei. Du wirst dich erinnern, Ulrich, dass ich dir schrieb, Aufreiters Zwillingsbruder sei wenige Tage später in seinem Bett verstorben. Der Physicus meinte, an den Rippenbrüchen selbst hätte es nicht gelegen, vermutlich eher an einem Riss eines der großen inneren Organe. Jetzt aber glaube ich auch das nicht mehr. In meinen Augen hat Aufreiter seinen Bruder damals, wie er hilflos im Bett gelegen hat, erstickt.»
    «Und Barbara ertrank kurz darauf angeblich in der Tauber   …», fügte Bernward nachdenklich hinzu. «Das stinkt fürwahr zum Himmel. Aufgrund all dessen, was ich gerade gehört habe, wird für mich nun immer wahrscheinlicher, dass Aufreiter die Gunst der aufständischen Zeiten nutzte und seine Schwiegereltern kurzerhand hat umbringen lassen. Möglicherweise weil diese ihn jahrelang erpressten – was sie konnten, weil Barbara sich höchstwahrscheinlich auch ihnen anvertraut hatte.»
    «Das sind schwere Anschuldigungen. Aber der Vogt wird uns anhören   … und den Teufel tun, vorschnell zuzulassen, dass Seckendorff Hanna endgültig zur Hexe macht.»
    Siegesgewiss schnellte Ulrich von seinem Stuhl undschlug sich kämpferisch die Faust in die hohle Hand. Doch da schluchzte Katharina auf: «Und wer von euch denkt an Marie? Was hat sie von all euren klugen Vermutungen? Was? Aufreiter hat sie in seiner Gewalt! Jetzt wird er dich erpressen, Ulrich. Hat Hanna ihm nicht im Weibersturm selbst von ihren Malen erzählt? Glaubt ihr, er ist so dumm, nicht längst darauf gekommen zu sein, dass Hanna Barbaras Zwillingsschwester sein muss? Deshalb möchte er sie doch tot wissen. Nur dann, glaubt dieser Schuft, werden ihn endlich die Geister der Vergangenheit in Ruhe lassen.»

64
    Lienhart träumte, Marie würde vor ihm davonrennen. Dass sie sogar auf dem Wasser laufen konnte, verwunderte ihn nicht, er konnte es ja auch! Er hörte sie lachen und seinen Namen rufen, und da hatte er wieder dieses süße Gefühl in der Brust, das so ganz und gar unbeschreiblich war.
    «Na warte, ich bin schneller.»
    Hatte er dies nun gesagt oder nur gedacht?
    Er rannte los. Es war einfach herrlich, wie das Wasser ihn trug – und schon hatte er auch zu Marie aufgeholt. Sie schaute sich um, lachte. Und dann ihre Augen   … Himmel, das war der Blick eines großen Mädchens, das bestimmt schon zu küssen verstand. Das Herz wollte ihm zerspringen.
    Ah, jetzt hatte er sie gleich   … schon spürte er den Stoff ihres Kittelkleids   …
    Plötzlich ein Stoß   … und noch einer. Wo war Marie?
    Stattdessen bellte ein Hund.
    Babur   …
    Nein, nicht jetzt   … nicht   …
    «Lienhart, komm, wach auf. Was glaubst du, wer da ist?»
    Es ist nur Mama. Ich habe geträumt. War es überhaupt schon hell? Und warum war Babur hier?
    Er spürte, wie ihm die Decke fortgezogen wurde.
    Babur?
    Mit einem Schlag war Lienhart hellwach. Er riss die Augen auf und schwang sich aus dem Bett. Mit jedem Augenblick wuchs seine Aufregung. Sein Herz schlug immer schneller, schon hörte
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