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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels
Autoren: Kay Cordes
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er ihre Spur aufnehmen.»
    Lienhart packte Babur am Halsband und schob ihn zwischen die Sitzenden, er selbst drückte sich an Hannas Seite.
    Ulrich befahl dem Kutscher, den Wagen zu wenden, und in gemächlichem Tempo ging es zurück nach Detwang. Lienhart fühlte sich jedoch alles andere als wohl. Niemand sprach, alle schienen darüber zu grübeln, wo Marie versteckt gehalten wurde. Um sich abzulenken, riss er ein paar Kletten aus Baburs Fell: «Heute Morgen waren es andere. Sie sind oben so wollig, mit violetten Blütenblättern   … so wie die hier.»
    Er fand eine, riss sie ab und hielt sie in die Höhe. «Als er mit Maries Kleiderfetzen kam, hatte er etliche davon im Pelz   … und Haferrispen.»
    Hanna fasste sich ans Herz. Im selben Moment ergriffUlrich aufgeregt ihre Hand. «Diese Kletten wachsen seit jeher massenhaft in Steinbach am Wegrain. Und auf den Feldern dort steht Hafer.»
    «Das ist es», rief Bernward. «Marie ist in Steinbach! Es ist Aufreiters Gehöft. Schließlich steht es seit dem Mord an seinen Schwiegereltern leer.»
     
    Nie hätte Hanna geglaubt, dass sie so bald wieder zusammen mit Ulrich auf einem Pferd galoppieren würde. Ohne länger zu überlegen, hatte er in Steinbach eines der beiden Zugpferde ausspannen lassen, um die Verfolgung aufzunehmen. Jetzt waren sie kurz vor Bettwar, noch aber gab es von Aufreiter und Marie keine Spur.
    Alle waren sich sicher, dass Aufreiters Ziel die Hegegrenze war, um letztlich in Würzburg unterzutauchen. Vielleicht würde er Marie an der Hegegrenze freilassen, denn als Geisel taugte sie nur im Gebiet der Rothenburger Landhege. Aber ein Mann wie Aufreiter, ein Mörder in Panik, war bestimmt auch zu Schlimmerem fähig   …
    Die Sonne stand hoch am Himmel, und die Hitze wog schwer wie Blei. Ihr Pferd wurde langsamer, es brauchte dringend Wasser.
    «Da vorne kommt ein Holzbauer! Wenigstens einer, der unterwegs ist. Ist ja wie verhext.»
    Sie zwackte Ulrich sacht in die Seite, er drehte sich um und küsste sie.
    «Guter Mann, habt ihr einen Rothenburger Patrizier mit einem kleinen Mädchen hier entlangreiten sehen?»
    «Ein kleines Mädchen mit einem Mann, schon. Aber der sah aus wie ein Zimmermann.»
    «Und das Mädchen?»
    «Na, wie sehen sie schon aus: Kittelkleid, ein bisschen zart vielleicht   … hübsch.»
    Noch einmal hieb Ulrich seinem müden Pferd die Sporenin die Seite. Schon in der nächsten Biegung begann es zu röcheln. Hanna spürte, wie es zitterte. Ein Schwarm Fliegen und Bremsen umschwirrte sie. Das Pferd litt, und es tat ihr leid, aber Ulrich trieb es wieder und wieder an.
    Wie anders war es einst am Wachsenberg, dachte Hanna. Auch da haben wir nach Marie gesucht. Ich wünschte mir damals, bis in alle Ewigkeit so mit Ulrich zu reiten. Jetzt ist alles nur heiß, und die Angst ist noch größer. Unsere Gefühle füreinander sind zwar noch genauso tief, aber was wird sein, wenn Marie   … wenn sie   … Er hat doch die Mantelkindschaft für sie übernommen. Es ist ihm so ernst damit wie sein Versprechen, zu mir zu stehen. Und Katharina liebt sie, als sei sie ihr leibhaftiges Enkelkind.
    Endlich hatten sie den Dorfplatz von Bettwar erreicht. Das Dorf war wie das Steinbacher Gut von den Truppen des Markgrafen verwüstet worden. In der Kirche St.   Michael waren die Kirchenfenster eingeschlagen.
    Wie in so vielen Dörfern der Landhege waren auch hier fast nur Frauen und Alte in den Gärten und auf den Feldern. Überall fehlen jetzt die Männer, dachte Hanna. Wenn sie nicht tot sind, siechen sie verstümmelt in ihren Betten dahin   … Nachts ziehen Trupps von Versehrten und Gebrandmarkten über die Straßen. Ohrenbach und Brettheim gibt es nicht mehr. Wo die Aufstände begonnen haben, rauchen jetzt noch die Trümmer von Hütten und Häusern.
    Ihr war, als würden sie im nächsten Moment Bruchstücke ihrer Visionen heimsuchen, doch da eilte eine Gruppe Kinder auf sie zu.
    «Ritter, wir haben Wasser!» Zwei von ihnen schleppten einen Eimer, aus dem das Wasser schwappte, ein Mädchen rollte einen Schiebkarren mit Hafer und Grünzeug herbei. «Habt Ihr Geld für uns?»
    «Für euch ja.» Ulrich verteilte ein paar Münzen, jauchzendsprangen die Kinder in die Luft. «Sagt mal, habt ihr einen Zimmermann mit einem Mädchen auf einem Pferd hier vorbeireiten sehen?»
    «Den Jörg und die Judith? Die wohnen dort vorne.»
    Hanna hatte das Gefühl, als würde ihr der Boden unter den Füßen weggerissen. Ulrich stierte die Kinder so wild und
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