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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels
Autoren: Kay Cordes
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entgeistert an, dass sie entsetzt zurückwichen.
    Langsam schritt Hanna auf die offenstehende Tür von St.   Michael zu. In der Kirche waren die Wände verschmiert, auf dem Boden lag niedergetrampeltes Stroh. Das Altarbild hing in Fetzen, in der Feuerstelle davor lag verkohltes Holz.
    Hier ist noch jemand, spürte Hanna intuitiv. Hektisch ließ sie ihren Blick durch den verwüsteten Raum schweifen. Ohne zu wissen, warum sie es tat, trat sie auf den Altar zu und begann, um ihn herumzugehen.
    Da setzte ihr Herz für einen Moment aus.
    «Marie.»
    Sie stürzte neben sie auf die Knie und starrte verzweifelt auf den bewegungslosen Körper. Marie lag zusammengekrümmt auf einem Haufen Stroh, als hätte sie dort jemand achtlos wie ein schmutziges Bündel Tuch hingeworfen und vergessen.

65
    Der Duft gerösteten Brots und gebratenen Fleisches   … dieser Duft, wie köstlich, wie unsagbar verlockend. Arndt schreckte aus dem Schlaf. Sofort kamen die Schmerzen zurück. Bestimmt bin ich davon wach geworden, überlegte er und drehte den Kopf, um noch einmal einen Hauch zu erschnuppern. Nein, ich bilde es mir nichtein. Deswegen habe ich auch gerade geträumt, ich würde mir mit Hanna und Marie zu Hause den Bauch vollschlagen.
    Er leckte sich über die Lippen, sein Magen knurrte. Der Nachthimmel über ihm war tiefschwarz. Die Sterne aber blinkten so hell, dass ihm das Auge schmerzte. Angenehm kühl war es hier im Taubergrund hinter Creglingen, die sandige Bucht war ein ausgezeichneter Platz, um den Rest des Sommers zu verbringen. Wenn man sie nicht vorher verjagte, sie, die Vogelfreien.
    Wie schön wäre es, hierbleiben zu dürfen. Die Grenze der Landhege war in der Nähe, ein Tagesmarsch nur, und er wäre wieder zu Haus am Wachsenberg. Auch mit einem Auge und einer gesunden Hand kann man köhlern, könnten wir beide köhlern.
    Unwilliges Stöhnen neben sich riss Arndt aus seinen Gedanken.
    «Nach was riecht’s hier? Gut, wie?»
    «Und ob.»
    «Wollen wir nicht auch was?»
    Valentin Schnitzer setzte sich auf, wandte den Kopf. Er grinste nicht, Arndt aber sah das Weiße seines Auges aufleuchten. Wieder beschlich ihn das Gefühl, dass Valentins Hass, der sich seit den Rothenburger Blutgerichtstagen in ihm aufgestaut hatte, nach einem Ventil suchte.
    Es ist, als ob er nach etwas sucht, um sich endlich selbst auslöschen zu können, dachte er. Vielleicht sollte ich das auch tun? Valentin ist immerhin der Sohn eines Küsters. Er wird eher wissen, ob es sich noch lohnt, länger dahinzuvegetieren – auch wenn er immer noch so aussieht wie ein Schaf.
    «Wenn wir was wollen, wie du es ausdrückst, heißt das, wir müssen es uns holen.»
    «Dann tun wir das doch.»
    Arndt zögerte, er dachte an Hanna, an Marie. «Sind wir nicht schon genug gezeichnet? Und Schmerzen haben wir auch noch   …»
    «Du vielleicht. Ich nicht.»
    Arndt schüttelte ungläubig den Kopf. Valentin hatte dieselben Verstümmelungen und Brandmarkungen erlitten. Beide waren sie einäugig, beiden fehlten die Finger der rechten Hand, zudem hatte Henker Schwarz ihnen das Ohr geschlitzt. Wie konnte es angehen, dass er nichts spürte?
    Valentin stand auf, auch Arndt erhob sich. Beide lauschten sie in die Dunkelheit. Der Halbmond schenkte ihnen etwas Licht, das sich auf dem ruhigen Spiegel der Tauber brach. Ein Käuzchen heulte, irgendwo am Ufer raschelte eine Ratte.
    «Der Nase nach?», fragte er.
    «Deswegen hat der Henker sie uns nicht abgeschnitten.»
    Diesmal grinste Valentin.
    Sie griffen nach ihren Knüppeln und suchten sich auf einem Trampelpfad durch das Weidengestrüpp den Weg zur Straße, die nach Weikersheim und Würzburg führte. Nach wenigen Schritten waberten ihnen kräftige Rauchschwaden entgegen. Sie hörten ein Pferd wiehern und stießen bald auf den Schein eines Feuers, das abseits des Wegs vor einer gemauerten Grotte mit dem Standbild des heiligen Kilian, des Apostels des Frankenlandes, brannte.
    Arndt und Valentin hielten die Luft an.
    Ein Mann hockte zusammengesunken vor den Flammen. Auf einem Rost brieten ein Kanten Brot und eine abgenagte Rippe. Gespenstisch tanzte das Licht der schon schwach züngelnden Flammen über das Standbild. Der heilige Kilian hielt in der einen Hand den Bischofsstab, in der anderen ein Schwert, zumindest noch dessen Griff.Ihm selbst fehlte die Nase und ein Ohr, auch die großen Zehen waren abgeschlagen.
    Hatte der Mann vor dem Feuer zum Heiligen gebetet und war dabei eingeschlafen?
    Valentin machte Zeichen, dass sie sich
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