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Eine unberührte Welt - Band 6 (German Edition)

Eine unberührte Welt - Band 6 (German Edition)

Titel: Eine unberührte Welt - Band 6 (German Edition)
Autoren: Andreas Eschbach
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Survival-Training
    Über die Entstehungsgeschichte der folgenden Story habe ich im Zusammenhang mit dem »Goethepfennig« bereits einiges erzählt. Hier nur noch ein paar Anmerkungen zum Grundgedanken der Erzählung.
    Immer wieder – meistens zu Jahreswechseln und bei runden Jahreszahlen wird es quasi unvermeidbar – belästigen uns sogenannte »Experten« mit ihren Voraussagen darüber, wie wir in einigen Jahren oder Jahrzehnten angeblich leben werden, und in der Regel bestehen diese »Voraussagen« in einfachen Fortschreibungen momentaner Trends oder Moden. Ein Mythos, der seit Aufkommen der Personal Computer umhergeistert, ist der vom »total vernetzten Haus«, von »intelligenten Kühlschränken« und dergleichen.
    Soweit man weiß, lebt bis jetzt nur eine Familie in so einem Ding – Bill und Melinda Gates und ihre Kinder –, und ich wette, dass von den für die allseitige Umsorgung installierten Gerätschaften inzwischen die meisten wieder ausgestöpselt sind.
    Weil sie einfach nerven …
     
    »Survival-Training?« Maren hatte das Kissen hinter sich hochgeschoben und sah aus, als läge sie schon Stunden wach. »Das klingt beunruhigend, muss ich sagen.«
    Tim schlug schlaftrunken die Decke zurück. »Ich hab’s dir doch erklärt. Das ist so eine Art Motivationstraining. Soll das Team zusammenschweißen und so Zeug.«
    »Und wenn dir etwas passiert?«
    »Da sind Trainer dabei. Fachleute. Die machen das nicht zum ersten Mal. Solche Trainings boomen zurzeit, das hat Henrik aus sicherer Quelle. Kein Grund zur Sorge.« Damit gab er sich einen Ruck, schaffte es in die Vertikale und schlurfte ins Bad.
    »Herr Scheuermann« , sagte die Toilette, während Tim in wohliger Gedankenleere sein Wasser ließ, »Ihr Urin zeigt Anzeichen eines Diabetes im Frühstadium. Soll ich einen Termin bei Ihrem Hausarzt für Sie vereinbaren?«
    Nun war Tim wach, mit einem Schlag. Himmel, ging das wieder los? »Nein!«, rief er aus. Mit seinem Urin war alles in Ordnung; wegen dieser Fehlalarme hatte er schon zwei Nachmittage beim Arzt verschwendet.
    »Der nächste mögliche Termin wäre 10 Uhr 40 am kommenden Donnerstag. Soll ich zusagen?«
    »Verdammt, nein!« Am Donnerstagvormittag war Meeting zu den Entwicklungen auf den afrikanischen Märkten; das hatte er bloß vergessen, im Kalender einzutragen.
    »Ich habe den Termin vereinbart und in Ihrer Agenda vermerkt.«
    »Blöder Kasten.« Tim drückte den Spülknopf, der zugleich die Selbstreinigung und Desinfektion der nanotechnisch bearbeiteten, absolut schmutzabweisenden Schüssel veranlasste. Die Toilette war ein Sonderangebot gewesen, aber es hatte von Anfang an Kompatibilitätsprobleme gegeben. Man hatte ihm hoch und heilig versprochen, dass mit dem neuesten Firmware-Update alle Probleme beseitigt sein würden – ja, Pustekuchen.
    Halbnackt wie er war tappte er hinüber ins Arbeitszimmer, zog seinen Personal Assistent aus der Ladestation und schaltete ihn ein. Sie haben 35 wartende Nachrichten, darunter 1 dringende von Jason (Australien), stand auf dem Startschirm. Das hatte alles Zeit, obwohl er sich fragte, was ausgerechnet Jason Dringendes haben mochte. Er ging auf den Kalender, suchte den Termin bei Dr. Sporn heraus und gab den Befehl, ihn zu stornieren. Während die Verbindung aufgebaut wurde, sah er aus dem Fenster. Es würde heute sonnig und warm werden. Das Survival-Training fand draußen statt, so viel hatte man ihnen verraten.
    Die Panne mit der Toilette kam Tim auf einmal vor wie ein böses Omen.
    Endlich hatten sich der PA und der Rechner der Arztpraxis darauf geeinigt, den Termin zu streichen. Tim blockierte gleich denDonnerstag für das Afrika-Meeting. Das Stichwort Afrika veranlasste die eingebaute Künstliche Intelligenz, aus den Besprechungsprotokollen den Hinweis zu extrahieren, dass man es ihm aufs Auge gedrückt hatte, die Wirtschaftsfachleute aus Nairobi vom Flughafen abzuholen. »Danke«, murmelte Tim. Das hätte er jetzt völlig verschwitzt. Schon ein Segen, dass es diese Geräte gab. Er vermerkte in seiner To-do-Liste, sich noch einmal um das Problem mit der Toilette zu kümmern.
    Als er zum Frühstück herunterkam, stand der Bote mit den Lebensmitteln in der Tür, die das Küchensystem bestellt hatte. Tim sah auf einen Blick, dass in der Kiste wieder zwölf der überteuerten, ungesunden süßen Fruchtdesserts lagen, von denen sich sein Sohn am liebsten ausschließlich ernährt hätte. Tim fischte eine der knallroten Packungen heraus. »Ich habe den
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