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Eine unberührte Welt - Band 6 (German Edition)

Eine unberührte Welt - Band 6 (German Edition)

Titel: Eine unberührte Welt - Band 6 (German Edition)
Autoren: Andreas Eschbach
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auch die meisten noch reichlich belämmert dreinblickten. Johannes erklärte die Aufgabe, die zu bewältigen war: Sie sollten sich gemeinsam zu einem Sammelpunkt durchschlagen. Zu Fuß. Und mit nichts weiter ausgestattet als mit etwas, das er »Stadtplan« nannte – ein Blatt Papier, auf das sinnverwirrend viele Linien gedruckt waren, angeblich ein Abbild der Umgebung. Alles drängte sich um Liz, der er das Papier überreicht hatte, um einen Blick darauf zu werfen.
    »Denken Sie es sich als Navigationssystem für den Handbetrieb«, riet Johannes und winkte einen seiner Assistenten heran, einen untersetzten Mann mit schwarzen Locken und einem Vollmondgesicht. »Das ist Markus. Er wird Sie begleiten, Ihnen in Notfällen aus derPatsche helfen, sich ansonsten aber zurückhalten. Es ist schließlich Ihr Training.« So etwas wie ein Lächeln huschte über seine Züge. »Viel Spaß.«
    Damit ließ er sie alleine, und bis auf Markus verdrückten sich auch die übrigen Assistenten.
    »Na, das werden wir ja wohl hinkriegen«, meinte Liz streitlustig und hielt das Papier in die Höhe. »Das ist eine Draufsicht, würde ich sagen. Als würde man von einem Satelliten aus hinunterschauen und die Straßen und so weiter abzeichnen.«
    Pjotr, der Analyst mit dem wallenden Haupthaar, deutete auf ein rotes Kreuz. »Dann sind wir sicher hier.«
    »Genau«, sagte Ben und zeigte auf ein blaues Dreieck. »Und da müssen wir hin. Ganz einfach.«
    Ganz so einfach war es dann aber doch nicht, denn das hieß, dass sie austüfteln mussten, durch welche Straßen sie gehen und wo sie in andere abbiegen würden. So etwas hatte noch keiner von ihnen je im Leben gemacht.
    »Was ist eigentlich das da?«, fragte eine Frau, die erst seit kurzem in der Investmentabteilung arbeitete und deren Namen Tim nicht kannte. Sie deutete auf ein großes, in Grüntönen gehaltenes Vieleck mitten auf dem Papier.
    »Das ist das ehemalige Schwerindustriegebiet«, erklärte Markus. »Da wurde vor dreißig Jahren alles abgerissen; seither ist es Brachlandschaft und Vogelschutzgebiet. Aber man kann es durchqueren.«
    Tim runzelte die Stirn. »Davon habe ich noch nie etwas gehört.«
    Der Assistent nickte bereitwillig. »Die Navigationssysteme umfahren das Gelände alle weiträumig. Wegen des Naturschutzes, verstehen Sie? Auch in den Medien werden solche Gebiete deswegen so gut wie nie erwähnt.«
    Tim besah sich den Plan noch einmal. »Aber das ist ziemlich groß, oder?«
    »Ja. Es war ein eigener Stadtteil.«
    Gespenstisch, auf diese Weise zu erfahren, dass es mitten in der Stadt, die er als seine Heimatstadt betrachtete, eine Art Wildnis gab,von deren Vorhandensein er nie etwas geahnt hatte. Klar, die Ringstraßen führten darum herum, deshalb hießen sie so … Trotzdem. Ihn schauderte.
    Nachdem die Entscheidung, ob es von der Einfahrt aus nach rechts oder links ging, getroffen war, marschierten sie los. Die Insassen vorbeifahrender Autos warfen ihnen verwunderte Blicke zu. Kein Wunder, niemand sonst bewegte sich hier zu Fuß.
    Die anfänglichen Witzeleien verstummten bald. Sie hatten mehr als genug damit zu tun, die Augen offen zu halten und wachsam zu sein für die Gefahren, die ihnen drohen mochten. Dass dieser Markus sie begleitete, war nicht so richtig beruhigend. Er sah herzlich ahnungslos aus, wie ein halbes Kind. Und er schien nicht einmal ein Telefon zu haben. Wie er ihnen in einem Notfall helfen wollte, wusste keiner.
    Die Umgebung war voller fremdartiger Geräusche. Die Bäume bewegten ihre Äste und rauschten dabei auf eine fast unheimliche Weise. Immer wieder hörte man pfeifende Laute, die, wie sie entdeckten, von kleinen, fliegenden Tieren stammten.
    »Das sind Vögel«, erklärte Ben fachmännisch. »Habe ich erst neulich was darüber im Internet gelesen.«
    »Können die uns etwas tun?«, wandte sich eine Frau an Markus.
    Der lächelte milde. »Wieso denken Sie, dass die Ihnen etwas tun können?«
    »Na ja, sie … sind vorne am Kopf spitzig, nicht wahr?«
    Markus zögerte, schien zu überlegen, was er darauf antworten sollte oder durfte. Schließlich sagte er nur: »Sie brauchen keine Angst zu haben.«
    Nach etwa einer Stunde – genau konnte man es nicht sagen, weil niemand eine Uhr trug – klagten die ersten über Hunger und vor allem Durst. Doch die Erwartung, dass sich der Veranstalter für ihre Verpflegung verantwortlich fühlen würde, wurde von Markus kühl enttäuscht. »Dies ist ein Survival-Training. Das heißt, wenn ein Problem entsteht,
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