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Eine unberührte Welt - Band 6 (German Edition)

Eine unberührte Welt - Band 6 (German Edition)

Titel: Eine unberührte Welt - Band 6 (German Edition)
Autoren: Andreas Eschbach
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Tür ging, sie zuzog und verriegelte. »Was soll das?«, protestierte Wim, worauf der Mann ihn ansah und sagte: »Sie werden nicht mehr zurückkehren, tut mir leid. Ihre Reise ist zu Ende.«
    Sie packten sie beide auf ihre klobigen, unkomfortablen Fahrzeuge. Es ging kreuz und quer durch diesen und ähnliche Gänge, bis ein breites Stahltor vor ihnen auffuhr und sie in eine Helligkeit gelangten, die Wim die Tränen in die Augen trieb. Es dauerte eine Weile, bis er etwas sah, und als er dann etwas sah, war ihm, als müsse sein Herz stehenbleiben.
    Sie waren auf der Oberfläche eines Planeten.
    Sanfte Wiesen und Wälder. Wolken am blauen Himmel, der Vollmond dahinter.
    Nicht irgendein Planet. Die Erde.
     
    »Sie werden einsehen, dass wir Sie unmöglich zurückkehren lassen dürfen«, sagte der grauhaarige Mann, der Wim in einem bequemen Ledersessel gegenübersaß und eine schlanke Zigarre rauchte. Hinter ihm ging der Blick weit hinaus über ein bewaldetes Tal, herbstlich gefärbtes Laub und in der Ferne kreisende Raubvögel. Wim konnte sich kaum auf den Mann konzentrieren, so schmerzhaft schön war es, das alles zu sehen.
    »Wie bin ich hierhergekommen?«, fragte er flüsternd. »Ich war in einem Raumschiff. Millionen von Kilometern entfernt von hier. Wie kommt es, dass ich hier sitze?«
    »Sagen Sie bloß nicht, dass Sie sich nicht längst alles zusammengereimt haben. So schwer ist das doch nicht. Sie waren in einem Raumschiff, ja, aber es war nicht Millionen Kilometer entfernt im Weltraum, sondern steht in einer künstlich geschaffenen Höhle. Und eigentlich ist es nicht wirklich ein Raumschiff, sondern einfach ein großer Metallbehälter für Menschen.«
    Wim starrte ihn an, weigerte zu verstehen, suchte nach einer anderen Erklärung für alles und fand keine.
    »Die … Sterne!?«
    »Virtuelle Realität. Computer. Holografische Projektionen.«
    »Das Vakuum außerhalb des Schiffes?«
    »Ist echt. Die Schiffe sind tatsächlich autark. Sonst würden die Menschen darin das Ökosystem der Erde ja weiterhin belasten.«
    »Aber … der Flug im Shuttle?!«
    »Simulatoren. So ähnliche Geräte standen in Disneyland und anderen Freizeitparks und gaukelten Besuchern rasante Flüge durch die Welt berühmter Kinofilme vor – auf computergesteuerten Stelzen stehend und Beschleunigungseffekte durch simples Kippen des Fahrzeugs vortäuschend.«
    »Wie viele dieser … Auswanderraumschiffe gibt es?«
    »Genug für die Hälfte der Menschheit. Rechnen Sie es sich aus.«
    »Und die andere Hälfte?«
    »Lebt in Bunkern und glaubt, einen Atomkrieg überlebt zu haben. Im Grunde dasselbe.«
    »Aber … jemand muss das alles gebaut haben. Tausende von Leuten müssen das gewesen sein.«
    »Die, die die Bunker gebaut haben, durften auswandern. Die Kavernen für die angeblichen Raumschiffe galten als Startrampen; wer daran mitgearbeitet hat, sitzt in Bunkern. Und die Leute, die Bescheid wussten, gehören zu uns – wie Ihr stellvertretender Kommandant – oder sind, na ja …« Der Mann streifte die Asche seiner Zigarre ab. »Wir hätten alle liebend gern wirklich fortgeschickt. Aber die Technik war nicht so weit, wird es vielleicht niemals sein. Die Abgründe zwischen den Sternen sind zu groß.«
    Wim fühlte abgrundtiefes Entsetzen in sich aufklaffen. »Aber … warum? Warum das alles?«
    Der Mann deutete hinter sich. »Schauen Sie hinaus, da haben Sie die Antwort. Die Erde muss sich regenerieren. Sich erholen von allem, was die Menschen ihr angetan haben. Denken Sie von der Erde als Gaia, als Göttin. Gaia brauchte Ruhe.« Er lächelte. »Übrigenserstaunlich, mit welcher Geschwindigkeit sie sich erholt. Es gibt kaum noch Straßen, auf denen man fahren kann. Der Wald erobert die Städte zurück, überwuchert Industrieanlagen, lässt Brücken einstürzen. In wenigen Jahrzehnten wird es sein, als hätte es uns Menschen nie gegeben.«
    Wim schwindelte. Trotzdem fiel es ihm noch ein. »Was war das mit dieser Frau?«, fragte er.
    »Miss Vane? Oh, sie hat versucht, ein kleines Problem in Eigeninitiative zu lösen.« Er zögerte. »Es liegt wohl an den künstlichen Hormonen, die sich über Jahrzehnte in der Umwelt angereichert haben. Die meisten von uns – von uns Männern, meine ich – sind unfruchtbar geworden. Vielleicht kein Zufall. Wir schätzen, dass, bis Gaia sich erholt hat – in einigen Generationen –, keine Menschen mehr auf ihr leben werden.« Er zuckte die Schultern. »Ich denke, einige der Siedler werden die Zeit überstehen.
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