Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine unberührte Welt - Band 6 (German Edition)

Eine unberührte Welt - Band 6 (German Edition)

Titel: Eine unberührte Welt - Band 6 (German Edition)
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
waren ausnahmsweise beide Kommandanten im Kontrollzentrum anwesend. Beide trugen überaus ernste Gesichter zur Schau. Den Kolonisten, die praktisch ausnahmslos vor den Schirmen des Komunikationssystems versammelt zusahen, schwante Übles.
    »Wie Sie wissen«, sagte der Kommandant, »sind vor einigen Tagen die beiden Kundschaftersonden zurückgekehrt, die wir vor sieben Jahren ausgesandt haben. Die Mission verlief vollkommen nach Plan. Die Sonden haben den Zielstern erreicht, alle geplanten Messungen durchgeführt und konnten wohlbehalten geborgen werden.« Man wartete auf das gewohnte warmherzige Lächeln, doch es blieb aus. Stattdessen fuhr der Kommandant fort: »Leider ist das die einzige gute Nachricht, die ich habe.«
    Eine Pause. Fünfzigtausend Kolonisten, zusammengepfercht in schmalen Gängen und winzigen Kabinen, hielten den Atem an.
    »Die Messungen zeigen zweifelsfrei, dass unser Zielstern, der zweite Planet des Sterns 47 Uma, nicht bewohnbar ist«, erklärte der stellvertretende Kommandant mit grimmig gefurchter Stirn. »Seine Oberfläche ist vollkommen tot und hochradioaktiv. Warum die Fernmessungen, die von der Erde aus mit Hilfe des Hoyle-Teleskops gemacht worden sind, dies nicht gezeigt, sondern im Gegenteil Lebensspuren ergeben haben, ist im Augenblick unerklärlich. Die einzige Hypothese derzeit lautet, dass dieser Planet von intelligenten Wesen bewohnt gewesen sein könnte, die sich erst vor kurzem selbst ausgelöscht haben.«
    Fünfzigtausend Kolonisten in kaninchenstallartigen Aufenthaltsräumen und kaum mehr als schulterbreiten Gängen erschauderten.
    Der Kommandant ergriff wieder das Wort. »Da die übrigen Planeten von 47 Uma aufgrund ihrer Sonnenentfernung allesamt ebenfalls nicht als neue Heimat in Frage kommen, hat es keinen Sinn, diesen Stern anzufliegen. Das Bremsmanöver, dessen Beginn für nächsten Monat geplant war, wird also entfallen. Stattdessen fliegen wir weiter.« Er deutete auf die Sternkarte. »Unser Flugziel wurde von Anfang an so gewählt, dass wir auf eine derartige Erkenntnis angemessen zu reagieren im Stande sind. Wir werden unseren Kurs geringfügig ändern und den Stern HD-89744 ansteuern, der ebenfalls von einem höchstwahrscheinlich bewohnbaren Planeten umkreist wird.«
    Fünfzigtausend Kolonisten wagten noch nicht, aufzuatmen.
    »Allerdings«, fügte der Kommandant kummervoll hinzu, »verlängert sich damit die Dauer unserer Reise von 34 auf voraussichtlich 102Jahre. Das heißt, selbst wenn alles gut geht, werden erst unsere Kindeskinder wieder die Scholle eines Planeten betreten.« Er sah ihnen allen fest ins Kameraauge, allen fünfzigtausend Kolonisten. »Wir mussten mit so etwas rechnen, als wir an Bord dieses Schiffes gingen. Trotzdem schmerzt es, dass der Notfall nun tatsächlich eingetreten ist. Ich bitte Sie alle, jetzt den Mut nicht sinken zu lassen. Lassen Sie uns diese Herausforderung gemeinsam meistern, unseren Nachfahren zuliebe – und um unserer Würde als Menschen willen.«
    Fünfzigtausend Kolonisten seufzten abgrundtief. Die meisten fluchten auch, unter Gebrauch der derbsten Flüche, die ihnen geläufig waren. An diesem Abend erreichte die Abgabe von Narko-Punkten einen neuen Höchststand.
     
    Einer der Kolonisten hatte keine Zeit, zu seufzen. Wim Freese hatte die garantierte Abwesenheit beider Kommandanten benutzt, um in die Kabine des stellvertretenden einzudringen. Was natürlich in höchstem Grade illegal war und auch technisch nicht einfach, doch Wim besaß erstens die notwendigen Gerätschaften, um selbst ein Fingerabdruckschloss ohne Spuren und insbesondere ohne den richtigen Fingerabdruck zu öffnen, und wurde zweitens von der grimmigen Entschlossenheit getrieben, einen nicht nur rätselhaften, sondern darüber hinaus vermutlich in höchstem Maße unmoralischen Sachverhalt aufzuklären, koste es, was es wolle.
    Zu seiner Enttäuschung fand er die Räume des stellvertretenden Kommandanten leer und verlassen. Niemand war da, insbesondere keine schöne Frau. Die Räume sahen darüber hinaus auch nicht so aus, als walte darin weiblicher Einfluss, sie sahen im Gegenteil geradezu unbewohnt aus. Was kaum zu fassen war, wenn man bedachte, dass der Stellvertretende sich den größten Teil seiner Zeit hier aufhielt.
    Wim öffnete Schränke und Schubladen. Manche der Fächer waren regelrecht leer, was an Bord zumindest ungewöhnlich war. Das Bett war aufgeschlagen, fühlte sich aber klamm an, so, als habe schon lange niemand mehr darin geschlafen. Wim
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher