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Wer lügt, gewinnt

Wer lügt, gewinnt

Titel: Wer lügt, gewinnt
Autoren: Patrícia Melo
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    Ich habe schon immer etwas für Schlangen übrig gehabt, besonders für Giftschlangen, aber der Grund dafür, daß ich anfing, häufiger ins städtische Institut für Serotherapie zu gehen, war Fúlvia Melissa. Als wir einander vorgestellt wurden, stand sie vor dem künstlichen Teich des Museums, hübsch, weißer Kittel, Brille, und untersuchte eine drei Meter lange Sucuri. Wir schüttelten uns die Hände; was ich jetzt tun werde, wird Ihnen gefallen, sagte sie.
    Einer von Fúlvias Assistenten machte die Wasserschlange bewegungsunfähig, indem er sie mit beiden Händen unmittelbar unterhalb des Kopfes festhielt. Anschließend wurde die Sucuri auf den Labortisch gelegt. Sie will nicht fressen, sagte Fúlvia, das kommt vom Streß der Gefangenschaft, sehen Sie nur, die Ärmste hat Läuse. Ein Angestellter brachte ein Kaninchen, das in einem kleinen Käfig eingesperrt war. Mit einer als Hebel dienenden Pinzette und der Hilfe des Assistenten öffnete Fúlvia dem Reptil das Maul. Dann holte sie das Kaninchen aus dem Käfig, und mit einer raschen Geste brach sie ihm das Genick. Ich töte das Beutetier immer, bevor ich die Zwangsernährung vornehme, erklärte Fúlvia und stopfte das tote Kaninchen in den Schlund der Sucuri. Schlangen fressen keine toten Tiere, sagte sie, aber solange das Blut der Beute noch warm ist, gibt es kein Problem. Mit den Händen preßte Fúlvia Melissa den Körper der Schlange und beförderte so das Kaninchen in den Magen des Reptils hinunter. Sie können sie wieder wegbringen, wies sie ihren Assistenten an.
    Gehen wir, sagte Fúlvia, ich werde Ihnen das Institut zeigen. Früher, erklärte sie, war das ganze Gelände hier ein Naturschutzgebiet; haben Sie die vielen Pagodenbäume dort draußen gesehen? Wenn sie blühen, ist hier alles von einem wunderbaren Duft erfüllt. Seite an Seite schlenderten wir durch das Museum, ganz gemächlich, und bereits da war irgend etwas zwischen uns, Fäden, sie führte das Gespräch, ich schaute mir die Schlangen in den Terrarien an. Fúlvia zeigte mir ihre Favoritin, die Sandrassel-Otter Echis carinatus. Wenn es ums Töten geht, meinte sie, gehört die hier zum besten, was es gibt, neunzig Prozent der Personen, die gebissen werden, sterben, selbst dann, wenn sie Serum bekommen.
    Wir traten aus dem Museum hinaus. Es war ein schwüler Tag, der Himmel düster. Ich mag diesen Ort, sagte Fúlvia Melissa; sehen Sie diese Bäume, der dort drüben ist über hundert Jahre alt, ist er nicht schön? Was für eine Schlange wird Ihr Mörder denn verwenden? Ich bin noch unentschlossen, entgegnete ich; ich weiß, daß es viele verschiedene Arten von Giften gibt. Ja, sagte Fúlvia, Sie haben die Wahl, es gibt Gifte, die Nekrose verursachen, neurotoxische Gifte, die die Muskeln lähmen, was hätten Sie gern?
    Ich erklärte ihr, daß ich mich erst in der Anfangsphase meiner Recherchen zu dem Buch befände, daß ich es noch nicht wisse, daß mir aber die Idee vom Tod durch Atemstillstand gefiele.
    Das ist eine schreckliche Art zu sterben, meinte sie, dafür wäre jede Art der Naja -Gattung perfekt geeignet. Das Problem ist, daß es sie weder in Nord- noch in Südamerika gibt. Wenn Sie ein neurotoxinhaltiges Gift verwenden wollen, empfehle ich Ihnen die Korallenschlangen. Es ist allerdings wichtig zu wissen, daß Unfälle mit Korallenschlangen nicht sonderlich häufig vorkommen, Korallenschlangen sind ängstlich, sie meiden die Menschen, das ist für Ihre Geschichte vielleicht ein Handicap. Wir müssen uns noch über den Ort, an dem das Verbrechen begangen werden soll, Gedanken machen. Wer sind Ihre Opfer? Wie ich schon sagte, antwortete ich, ich stehe erst am Anfang.
    Ein Donner rollte am Himmel, Blitze, wir hatten keine zwei Minuten Zeit, um zum Museum zurückzurennen, da brach der Regen los.
    Fúlvia besorgte mir ein Handtuch, ich trocknete mich ab. Sie werden sich erkälten in Ihrem nassen Hemd, ich hole Ihnen einen Kittel. Nein, sagte ich; Sie erkälten sich noch, beharrte sie, ging zu einem Schrank, griff nach einer geräumigen, halb vergilbten Jacke, die können Sie anziehen, sagte sie, die ist von einem Biologen, der letztes Jahr gestorben ist, oder stört Sie das? Es störte mich nicht. Ich ging zur Toilette, zog mein klitschnasses Hemd aus und streifte den Kittel über, der nach Mottenkugeln roch. Großartig, meinte Fúlvia, als ich zurückkam, wollen Sie die Mäuse sehen?
    Während wir abwarteten, daß es aufhörte zu regnen, zeigte sie mir den Laborbereich, in dem die
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