Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Du lebst nur zweimal

Titel: Du lebst nur zweimal
Autoren: Ian Fleming
Vom Netzwerk:
Original
    Autor: Ian Fleming Titel: You Only Live Twice Jahr: 1964 Sprache: englisch
    Vorlage
    Übersetzung: ttomas Looser aus dem Englischen, 1966 Verlag: Scherz Verlag Bern - München - Wien, 6. Auflage 1981 ISBN: 3 - 502 - 55828-0
    eBook
    Version: 1.00 Testversion ID 2
    Korrekturen sind immer willkommen.
    1
    Die Geisha »Bebendes Blatt«, die neben Bond kniete, neigte sich vor und küßte ihn sittsam auf die rechte Wange.
    »Das ist Betrug«, sagte James Bond streng. »Du hast versprochen, mir einen richtigen Kuß auf den Mund zu geben, wenn ich gewinne.«
    »Graue Perle«, die Madame des Hauses, die schwarzlackierte Zähne hatte und so dick geschminkt war, daß sie wie eine Figur aus einem No-Spiel wirkte, übersetzte. »Bebendes Blatt« bedeckte ihr Gesicht mit den schlanken Händen, als sei ihr eine ausgesprochene Obszönität zugemutet worden. Doch dann spreizten sich ihre Finger, und ihre kecken braunen Augen musterten Bonds Mund, als wollten sie das Ziel genau erfassen, und ihr Körper bog sich nach vom. Diesmal traf ihr Kuß Bond voll auf den Mund. Er war lang und zärtlich. Eine Einladung? Ein Versprechen? Bond erinnerte sich, daß man ihm eine »KissenGeisha« versprochen hatte. Anders ausgedrückt, bedeutete das: eine Geisha der niederen Kaste. Sie war zwar in den traditionellen Künsten ihres Berufs nicht sehr bewandert - sie war nicht in der Lage, heitere Geschichten zu erzählen, zu singen, zu malen oder Verse zu dichten. Aber im Gegensatz zu ihren kultivierten Schwestern war sie zu handfesteren Diensten bereit, natürlich in diskreter, ungestörter Umgebung und zu einem entsprechend hohen Preis. Aber für den primitiven, verdorbenen Geschmack eines gaijin, eines Fremden, war das weitaus sinnvoller, als wenn man seine Reize in einem tanka, einem einunddreißigsilbigen Vers, den er sowieso nicht verstand, mit knospenden Chrysanthemen auf den Abhängen des Fudschijama verglich.
    Der Beifall, der diese lüsterne Vorstellung begleitete, verebbte schnell. Der kraftvolle, untersetzte Mann im schwarzen yukata, im Seidenkimono, der Bond an dem niedrigen roten Lacktisch gegenübersaß, hatte seine Zigarettenspitze aus dem Mund genommen und neben seinen Aschenbecher gelegt. »Bondo-san«, sagte Tiger Tanaka, der Chef des japanischen Geheimdienstes, »jetzt werde ich Sie zu diesem lächerlichen Spiel herausfordern, und ich verspreche Ihnen im voraus, daß Sie nicht gewinnen!« Das flächige, faltige Gesicht, das Bond in den vergangenen Wochen so vertraut geworden war, lächelte ihn an. Das breite
    Lächeln verengte die Mandelaugen zu Schlitzen. Bond kannte dieses Lächeln. Es war kein Lächeln. Es war eine Maske.
    Bond lachte. »Wie Sie wollen, Tiger. Aber zuerst noch mehr saké! Und bloß nicht in diesen lächerlichen Fingerhüten. Ich habe jetzt fünf Flaschen von dem Zeug getrunken, und die Wirkung ist die gleiche wie nach einem doppelten Martini. Ich brauche unbedingt noch einen doppelten Martini, wenn ich Ihnen die Überlegenheit des westlichen Instinkts über östliche Kniffe beweisen soll. Gibt es vielleicht in irgendeiner Ecke hinter diesem Ming-Porzellan so was wie ein ganz bescheidenes Trinkglas?«
    »Bondo-san, Ming ist chinesisch! Leider ist Ihr Wissen über Porzellan nicht so beeindruckend wie Ihre Trinkfestigkeit. Außerdem ist es unklug, den saké zu unterschätzen. Wir haben ein Sprichwort: >Die erste Flasche saké trinkt der Mann; dann trinkt die zweite Flasche die erste; dann trinkt der saké den Mann.<« Ti g er Tanaka wandte sich an »Graue Perle«, und es folgte eine lachende Unterhaltung, hinter der Bond Witze auf Kosten seines maßlosen Appetits vermutete. Auf ein Wort von Madame erhob sich »Bebendes Blatt«, verbeugte sich tief und eilte aus dem Zimmer. Tiger drehte sich wieder zu Bond um. »Sie haben viel >Gesicht< gewonnen, Bondo-san. Nur Sumo-Ringkämpfer trinken saké in solchen Mengen, ohne daß man ihnen etwas anmerkt. Sie meint, daß Sie zweifellos acht Flaschen schaffen können.« Tigers Gesicht nahm einen hinterhältigen Ausdruck an. »Madame ist allerdings auch der Ansicht, daß Sie sich dann am Ende des Abends >Bebendem Blatt< nicht mehr so ganz richtig widmen können.«
    »Sagen Sie ihr, daß ich mehr an ihren eigenen reifen Reizen interessiert sei. Sie hat sicher die Fähigkeit, jede vorübergehende Müdigkeit zu vertreiben.«
    Dieses unbeholfene Kompliment wurde von Madame mit der richtigen Antwort bedacht. Tiger übersetzte. »Bondo-san, diese Frau hat Witz. Sie sagt, sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher