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Grappa und die keusche Braut

Grappa und die keusche Braut

Titel: Grappa und die keusche Braut
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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Schock im Schloss

    Ich erinnere mich noch genau. Es war der Montag nach einem wunderbaren Wochenende, das wir ganz entspannt verbracht hatten. Mein Frühstücksgast mochte sein Spiegelei von zwei Seiten gebraten. Gerade als ich es auf dem Bratenwender balancierte, schlug mein Handy Alarm. Der Klingelton signalisierte, dass der Anrufer auf meiner Freundesliste stand.

    »Gehst du mal bitte dran?«, sagte ich.

    Friedemann Kleist griff nach dem Apparat, der auf dem Küchenschrank lag. »Hier bei Maria Grappa«, hörte ich ihn sagen. Inzwischen war es mir gelungen, das Ei zu wenden.

    »Pöppelbaum!« Kleist reichte mir das Mobiltelefon.
    Ich stellte die Kochplatte aus.

    »Na? Mal wieder ganz mit Privatleben beschäftigt?«, fragte der Bluthund.

    »Geht dich das etwas an?«, erkundigte ich mich zuckersüß. »Was gibt es? Ich hab heute frei.«

    »Na dann, einen schönen Tag.«

    »Nun sag schon!«

    »Geiselnahme. Im Schloss Waldenstein.«

    Ich warf einen kurzen Blick auf Kleist. Er hatte sich hinter dem Bierstädter Tageblatt versteckt.

    »Erzähl mehr!«, bat ich. Nur nicht zu viel fragen, dachte ich, sonst verwandelt sich mein Gast gleich wieder in den Kommissar.

    »Genaues weiß man nicht«, sagte Pöppelbaum. »Die Bullen sperren gerade alles ab. Das Spezialkommando ist angefordert und es wurde eine Nachrichtensperre verhängt. Das haben wir bestimmt mal wieder diesem verdammten Kleist zu verdanken!«

    Ich schluckte. Warum wusste der gerade Verdammte nichts von der Sache? Dann erinnerte ich mich. Er hatte sein Handy gestern Abend abgestellt, denn wir wollten es uns gemütlich machen. Auch er hatte ein paar freie Tage.

    »Wo treffen wir uns?«, fragte ich.
    Kleist ließ die Zeitung sinken und fixierte mich mit leisem Amüsement. Ich wusste genau, was er dachte. Dass wir beide nicht wirklich in der Lage waren, unsere Arbeit zu vergessen.

    Pöppelbaum schlug den Parkplatz einer Gaststätte vor, eines Ausflugslokals, das sich in der Nähe des Internates befand. Ich versprach, so schnell wie möglich dorthin zu kommen.

    »Tut mir leid«, seufzte ich. »Du solltest dein Handy einschalten. Es müssten einige Anrufe drauf sein. Es gibt eine – wie nennt ihr das? – Bedrohungslage.«

    »Wir beide haben aber doch frei«, lächelte er. »Hast du mir gestern Abend nicht erzählt, dass jeder Mensch ersetzbar ist und man die eigene Bedeutung überschätzt?«

    »Stimmt. Aber diese Geschichte kann ich nicht auslassen.«

    »Dann viel Vergnügen.« Der leitende Hauptkommissar der Bierstädter Kripo machte keine Anstalten, sich vom Frühstückstisch zu entfernen.

    »Ich bin dann mal weg«, kündigte ich an. »Man sieht sich. Du kannst mein Spiegelei haben. Aber dreh es erst auf die andere Seite. Du magst doch keine Weicheier.«

    »Ich werde den Kampf mit den Eiern mannhaft bestehen, liebe Maria.«

    Irgendwie wirkte er aufmüpfig.

     
    Ich schenkte mir das Make-up, setzte eine Sonnenbrille mit großen Gläsern auf und stieg in mein Cabrio. Mühsam sprang der Motor des alten Wagens an – bald war wohl ein neueres Modell fällig. Der Gedanke, mich von dem Schwarzen zu trennen, tat weh – ich liebte jede Macke im Lack und störte mich nicht im Geringsten daran, dass der elektrische Dachheber immer lahmer wurde. Der Wagen begleitete mich seit zehn Jahren und hatte inzwischen – genau wie ich – einige Wehwehchen und Blessuren.

    Während der Fahrt wählte ich Pöppelbaums Handynummer.

    »Ich konnte eben nicht reden«, sagte ich. »Wer hat wen als Geisel genommen?«

    »Ein Schüler seine Klasse. Mehr ist noch nicht bekannt.«

    »Wie nah kommst du an das Gebäude ran?«

    »Vergiss es. Mit einem Zoom kannst du gerade mal ein bisschen Gemäuer sehen. Die Kamerateams fluchen wie die Teufel. RTL wollte einen Heli chartern, doch der kriegt keine Flugerlaubnis.«

    »Und was knattert da im Hintergrund?«

    »Die Polizeihubschrauber«, antwortete der Bluthund. »Übrigens ist eine Pressekonferenz vor Ort angekündigt. In einer halben Stunde.«

    »Dann bin ich da«, kündigte ich an. »Fotografier alles, was sich bewegt, und …«

    »… alles, was sich nicht mehr bewegt«, vervollständigte Pöppelbaum meinen Satz. »Wer war denn eben der Mann in deiner Hütte?«

    Ich beendete das Gespräch.

    Was wusste ich über Schloss Waldenstein? Eigentlich nur, dass es ein Internat war, in das reiche Eltern ihre Kinder schickten, damit sie das Abitur bestanden. Ein Gymnasium mit Hotelbetrieb, Restaurant, Sportanlagen und
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