Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Nebel weicht

Der Nebel weicht

Titel: Der Nebel weicht
Autoren: Poul Anderson
Vom Netzwerk:
 
1
     
    Bei Sonnenuntergang hatte sich die Falle geschlossen. Im letzten roten Licht des Tages hatte sich das Kaninchen gegen die Wände geworfen, bis Furcht und Taubheit Wirkung zeigten und es sich, vom eigenen Herzflattern geschüttelt, zusammenkauerte. Weiter war keine Bewegung an ihm zu erkennen, während die Nacht und die Sterne kamen. Als aber der Mond aufging und sich sein Licht kalt glitzernd in den großen Augen des Tieres fing, blickte es durch die Schatten auf den Wald.
    Die Augen waren nicht für kurze Entfernungen geschaffen, aber nach einer Weile fiel ihr Blick auf den Eingang der Falle. Sie war hinter ihm zugeschnappt, als es hereingekommen war, und dann hatte es nur noch das schmerzende, anstrengende und wirkungslose Schlagen seines Körpers gegen das Holz gegeben. Jetzt, langsam, während es angestrengt in das weiße, unwirkliche Schimmern des Mondes starrte, erinnerte es sich an das herabfallende Gatter, und vor Entsetzen quiekte es ganz leise auf. Denn das Gatter war jetzt da, massiv und düster hob es sich von dem atmenden Wald ab, und doch war es oben gewesen und war heruntergeknallt, und dieser Vorher-Nachher-Dualismus der Welt war etwas, dessen sich das Kaninchen niemals zuvor bewußt gewesen war.
    Der Mond stieg höher, schwang sich in einen Himmel voller Sterne. Eine Eule schrie, und das Kaninchen erstarrte zur Bewegungslosigkeit, als ihre Schwingen über es hinweggeisterten. Auch die Stimme der Eule drückte Furcht, Verwirrung und eine neue Art von Schmerz aus. Dann war sie verschwunden, und um das Kaninchen waren nur noch die vielen kleinen Geräusche und Gerüche der Nacht. Und es saß eine lange Zeit vor dem Gatter, betrachtete es und erinnerte sich daran, wie es heruntergefallen war.
    Auch der Mond begann zu fallen – in einem fahlen westlichen Himmel. Vielleicht weinte das Kaninchen auf seine Art ein wenig. Ein Morgengrauen, das nur mehr ein Nebelstreifen in der Dunkelheit war, ließ die Stäbe der Falle vor grauen Bäumen hervortreten. Und unten am Gatter, da war ein Querriegel.
    Langsam, sehr langsam schob sich das Kaninchen vorwärts, bis es die Klappe erreicht hatte. Es scheute vor dem Ding zurück, das es eingesperrt hatte. Es roch nach Mensch. Dann betastete es das Ding mit der Nase und fühlte Tau kalt und naß auf seinen Schleimhäuten. Es bewegte sich nicht, aber es war heruntergefallen.
    Das Kaninchen kauerte sich zusammen und stemmte seine Schultern gegen den Querriegel. Dann spannte es sich an, drückte nach oben, und das Holz erzitterte. Der Atem des Kaninchens kam schnell und scharf, pfiff zwischen seinen Zähnen hervor. Dann versuchte es das kleine Tier noch einmal. Das Gatter bewegte sich in seinen Führungen nach oben, und das Kaninchen bahnte sich einen Weg in die Freiheit. Einen kurzen Augenblick lang richtete es sich wild auf. Der sinkende Mond spiegelte sich blind in seinen Augen. Das Gatter schnappte an seinen Platz zurück, und das Kaninchen drehte sich um und floh.
     
    Archie Brock war noch spät draußen auf den nördlichen Feldern gewesen und hatte Baumstümpfe ausgegraben. Mr. Rossman wollte, daß sie alle bis Mittwoch draußen waren, damit er anfangen konnte, sein neues Feld zu pflügen, und er hatte Brock einen Bonus versprochen, falls er es schaffen würde. Also hatte Brock etwas zu essen mitgenommen und gearbeitet, bis es zu dunkel wurde, um noch etwas erkennen zu können. Dann machte er sich daran, die fünf Kilometer bis nach Hause zu Fuß zurückzulegen, denn sie erlaubten ihm nicht, den Jeep oder einen Lastwagen zu fahren.
    Er war müde, ohne bewußt daran zu denken, seine Muskeln schmerzten, und er sehnte sich nach einem großen, kühlen Bier. Aber die meiste Zeit dachte er überhaupt nicht, setzte nur einen Fuß vor den anderen, und die Straße zog an ihm vorbei, blieb hinter ihm zurück. Die dunklen Wälder zu beiden Seiten warfen lange Schatten über den mondweißen Staub, und er hörte das Zirpen von Grillen und einmal auch den Schrei einer Eule. Muß ein Gewehr mitnehmen und die Eule erledigen, bevor sie sich an den Hühnern vergreift. Mr. Rossman machte es nichts aus, wenn Brock jagte.
    Seltsam, wie er heute über die Dinge nachdachte. Normalerweise ging er nur so vor sich hin, besonders wenn er so müde war wie jetzt, aber – vielleicht war es der Mond – er erinnerte sich weiter bruchstückhaft an irgendwelche Dinge, und Worte formten sich irgendwie in seinem Kopf, als ob irgend jemand reden würde. Er dachte an sein Bett und daran, wie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher