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Das Feuer das am Nächsten liegt

Das Feuer das am Nächsten liegt

Titel: Das Feuer das am Nächsten liegt
Autoren: Cherry Wilder
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erinnern, was ich zu dem Schreiber sagte, der zu mir geschickt worden war, um mein Fürsprecher bei der Gilde der Grubenarbeiter zu sein. Mein Fall war peinlich: die ganze Sache war zu einem ungünstigen Zeitpunkt geschehen, und wegen des Lohngerangels und des Bummelstreiks in der Mine klangen politische Obertöne an.
    Das Schicksal ist ein Stein, über den wir auf dem Wege zu einem Fest stolpern; es ist der eine Backstein, der die Mauer aufrecht hält; es ist das Silberamulett, das in dem Magen eines Fisches wieder auftaucht. Es war ein Drei-Kometen-Jahr. Als ich meinen Blick von der Zellenwand dem Zellenfenster zuwandte, habe ich vielleicht einen Kometen vorbeiziehen oder Scott Gales kleines Luftschiff über den Kontinent zu den Bergen sausen sehen, wo es in den Warmen See am Hingstull abstürzen sollte.
    Zu dieser Zeit verlor auch Tsorl-U-Tsorl, der Abgesandte, seinen Kampf mit dem Rat; es war nicht der erste gute Abgesandte, der seines Amtes enthoben wurde, und auch nicht der letzte. Tsorl wurde entlassen und der Unterschlagungen aus dem Stadtfonds bezichtigt. Er wurde entehrt; es wurde über einen Todespakt zwischen ihm und seinen persönlichen Helfern gemunkelt. Keiner wußte, was aus ihm geworden war.
    Anfangs wußte der Alte Horn nichts davon. Er saß in dem kalten Vorzimmer herum und wartete darauf, sich bei Tsorl für mich einzusetzen, für Yolo, sein Pflegekind, aber er bekam den Abgesandten nie zu Gesicht. Tsorl war fort, und der Alte Horn kehrte zu seinem Haus in der Zinnstraße zurück und begann zu husten. Er starb gegen Ende des Winters. Ich konnte kaum weinen, als Morritt es mir mitteilte; ich war allein in meiner Zelle des Unheils, mit Schritten jenseits der Tür.
    Mein Fall wurde mehr oder weniger fair behandelt. Ich wurde wegen Körperverletzung zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt; es war wegen meiner Jugend eine leichte Strafe. Sie wäre noch leichter ausgefallen, wenn ich Tenn, der ein Krüppel blieb, und seiner Familie eine Vergütung hätte zahlen können. Aber ich besaß nichts. Die Strafe klang in meinen Ohren wie lebenslang, aber das lag teilweise an der Ungeduld eines jungen Wesens den Zeitabschnitten gegenüber. Ich wußte, daß die Entehrung durch eine solche Tat weit über jede Strafe hinaus anhalten würde. Ich hockte in meiner Zelle und wurde täglich zu der Werkstatt des Gefängnisses geführt, um an einem Mattenwebstuhl weben zu lernen. Es hieß, daß im Blauen Kreis ein Sammelbeutel herumging, um etwas Vergütung zusammenzubringen und meine Bürde zu erleichtern. Aber die Zeiten waren so schlecht, daß nichts dabei herauskam; vor Neujahr, sagten sie sich, wird eine Amnestie stattfinden.
    Eine Amnestie fand statt, und daran erinnere ich mich sehr gut. Ungefähr zwanzig Tage vor Neujahr wurden diejenigen, die fünf oder doppelfünf Jahre absitzen sollten und die kürzlich verurteilt worden waren, in den Speiseraum geführt. Es waren etwa hundert Personen; wir standen dort, während der Oberwärter von einem Runenband vorlas. Es erwies sich, daß unsere gnädigen Nachbarn, die Clans von Rintoul, dieser Goldenen Stadt, Vasallen benötigten. Die edlen Handelspartner von Tsagul, besonders der Luntroy-Clan, suchten starke Arbeiter, um eine Leibeigenschaft mit ihnen abzuschließen.
    Unsere Anzahl wurde noch weiter vermindert; ich wurde in einen „Krafttrupp“ gedrängt. Ich blickte an den Stoffwänden des alten Gefängnisses hoch hinauf und sah auf einem Balkon in einer der Falten Farbe aufblitzen. Die Szene war sehr grau: wir trugen graue Kleidung, die Wänden waren grau; vermutlich auch unsere Gesichter. Aber auf dem Balkon beugte sich ein Grandenpaar in Feuerrot und Purpur und Blau vor. Neben dem Oberwärter standen zwei Vasallenveteranen mit den Flachsblüten der Luntroys auf ihrer Brust.
    Die Luntroys sind kein Clan mit schlechtem Ruf in unserem Teil der Welt, aber die grellen Farben dieser blaßhäutigen Narren, die uns beobachteten, entfachten letztlich ein Feuer in meinem Verstand. Wir sollten übertölpelt werden, eine befristete Gefängnisstrafe gegen eine lebenslange Leibeigenschaft einzutauschen. Die Clan-Kreaturen spielten auf unser Gefühl der Entehrung an. Ich dachte an die neugeschaffenen Vasallen, die mit ihren Herren über die lange rote Straße von der Feuerstadt nach Rintoul zogen.
    Mein Name wurde schon früh aufgerufen; ich sah, wie der Oberwärter die Vasallenveteranen anlächelte. Ich wußte, daß ich angenommen war, ehe ich das Wort ergreifen durfte; sie wiegten
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