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Das Feuer das am Nächsten liegt

Das Feuer das am Nächsten liegt

Titel: Das Feuer das am Nächsten liegt
Autoren: Cherry Wilder
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Ich stamme aus Tsagul, der Feuerstadt.
    Tsagul ist, was auch immer man darüber behaupten mag, kein übler Ort. Es ist eine alte Stadt, älter als Rintoul, die ihre eigenen Gesetze und Legenden hat. Wir sind Feuerwesen, die Tsamuianer, die seit Weltenanfang in Höhlen, nicht in Zelten hausten, die Tonwaren herstellten und Metall bearbeiteten. Wenn eines unserer Kinder aus dem Beutel seiner Mutter zum Vorschein kam, wurde es nackt in den Feuerschein gehalten, und ein Bronzeamulett wurde ihm auf die Brust gelegt.
    Die Furcht vor Feuer-Metall-Magie, die wie Nebel über dem Land Torin hängt, ist nicht unsere Furcht. Sie wurde uns von den reichen Clans aus dem Südosten und deren Vasallen und den umherwandernden Webern, die auf deren Land leben, aufgebürdet. Sie haben unsere Dächer niedrig und unser Volk arm gehalten … und so weiter. Das war eine Mischung aus Legende und Politik, die ich an Winterabenden an unserem Feuer von dem Alten Horn hörte. Ich weiß sogar heute noch nicht, wieviel davon wahr ist.
    Dagegen weiß ich, daß Tsagul eine anständige Alltagsstadt ist, die Generationen von Leuten erbaut haben, die ihr Fach verstanden. Die runden oder flachen Häuser sind im Winter warm und im Sommer kühl; die Kanalisation funktioniert, wenn sie nicht blockiert ist. Es gibt Bäume am Kanaldamm und einen riesigen Park um den alten Tsatroy-Palast herum. Oben spannen sich die kupfernen Stimmen-Drähte von dem Rathaus und dem Krankenhaus und dem Gefängnis zu den Minen im Westen und im Norden. Im Osten führt die breite und schnurgerade rote Straße nach Rintoul.
    Der Verkehr über diese Straße aus Tsagul ist immer stärker als der nach Tsagul. Den ganzen Tag transportieren Karren und Gruppen von Trägern Metall hinaus, das entweder schon bearbeitet oder rotroh ist, so wie wir es aus der Erde gefördert haben. Rintoul könnte ohne Tsagul nicht existieren.
    Ich bin ein „Kind der Stadt“. Ich kenne jeden Fußbreit der
    Wege, die als breite gefegte Straßen beginnen und als wimmelnde vollgestopfte Gassen enden. Ich bin auf die Dächer geklettert, wenn die Große Sonne untergegangen ist, um die Flotte heimsegeln zu sehen. Ich habe die Grubenarbeiter im hellen Licht der Fernen Sonne in den Straßen singen hören, die mit ihren Tragkörben zur ersten Schicht gingen. Ich habe die Gleiter von dem Katapult auf dem Schwing-hoch-Feld beim Abflug beobachtet.
    Ich verstehe mich darauf, ein Pedaltaxi aus der Spur zu bringen, dann hinzurennen und dem Fahrer gegen ein Entgelt zu helfen, es wieder gerade zu richten. Ich bin auf dem Marktrondell vor dem Rathaus gewesen, um den Abgesandten und den alten Margan Dohtroy, den örtlichen Granden, reden zu hören.
    Ich war ein „Kind der Stadt“ – das war meine offizielle Bezeichnung. Meine Eltern, meine Mutter und ihr Partner, wurden bei einem Einsturz in der alten Tsatroy-Kupfermine getötet, als ich nach meinem Erscheinen vier Jahre alt war. Ich wurde in einem Waisenhaus in der Zinnstraße bei den Werften von dem Alten Horn und seiner Verwandten Morritt erzogen.
    Es waren nette Leute, und sie wurden meine wahre Familie; ich nahm ihren Namen an und will hier nicht den Namen meiner armen jungen Beutelmutter und meines jungen Vaters niederschreiben. Morritt Horn war eine „Hügelversetzerin“ in den Werften gewesen … eine der Omors, die riesenhohe mit einem Riemen befestigte Lasten auf dem Kopf tragen. Sie wurde zu fett, als ich zum ersten Mal zu ihnen kam, war aber immer noch stark genug, um „einen kleinen Hügel zu versetzen“. Der Alte Horn … Was kann ich über ihn sagen?
    Er konnte seine eine Hand, die dürr und gekrümmt wie eine Vogelkralle war, kaum noch gebrauchen. Seine Augen waren lange kupferbraune Schlitze in seinem knochigen Gesicht. Er arbeitete drei von fünf Tagen im Rathaus, wo er Abfallkörbe leerte, und er verdiente außerdem noch etwas für die Waisenbetreuung. Er mußte arbeiten, weil die Renten für die Kanalarbeiter gestrichen worden waren.
    Der Alte Horn war stolz und klug; er hatte in seinem langen
    Leben für drei geschuftet. Er war weise und zugleich töricht. Er machte mich mit seinem Geschwätz über „Uvoro“, über Freiheit, verrückt, während sein stolzester Besitz ein Orden für besondere Verdienste bei der Kanalisation war. Keine Rente, nur ein Orden. Er schimpfte auf die Granden und Minenbosse, aber er verehrte den Abgesandten, Tsorl-U-Tsorl, als wäre dieser Telve, der Feuergeist, in Person.
    „Einer der Besten“, pflegte er zu sagen,
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