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Das Ekel von Datteln

Das Ekel von Datteln

Titel: Das Ekel von Datteln
Autoren: Leo P. Reinhard; Ard Junge
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zerrieben …«
    Als sie die Treppe betraten, kam ihnen von unten Roggenkemper entgegen. An seiner Seite befand sich ein kaum größerer, aber untersetzter Mann mit pechschwarzem Knebelbart und tonsurähnlicher Glatze auf dem Hinterkopf. Seine schwarze Ledertasche roch verdächtig nach Anwalt.
    Mager wollte sich grußlos an dem Bürgermeister vorbeischlängeln, aber Roggenkemper hielt ihn fest: »Nicht so eilig, junger Mann!«
    Dann blickte er den Mönchskopf an: »Wenn Sie uns einen kleinen Augenblick entschuldigen würden?«
    Voller Verständnis eilte der Untersetzte die Stufen der Treppe hinauf und blieb erst stehen, als er deutlich außer Hörweite war. Mitten auf dem Pflaster setzte er die Tasche ab, entzündete eine Zigarre und studierte die gemeißelte Inschrift über dem Portal, als sähe er sie heute zum ersten Mal.
    »Was ich Sie fragen wollte«, begann der Bürgermeister und blitzte die PEGASUS-Leute mit den Brillengläsern an. »Sie waren vorhin nicht die ganze Zeit dabei?«
    Mager warf einen hilflosen Blick auf Saale, aber der konnte ihm auch nicht helfen.
    »Nein«, sagte Mager schließlich. Wenn er es nicht selbst zugab, würde Roggenkemper es von Lohkamp erfahren.
    »Dachte ich mir. Dann können Sie auch nicht verstehen, warum Herr Puth zum Schluss so die Kontrolle über sich verloren hat.«
    »Was meinen Sie damit?«, fragte Saale überrascht.
    »Nun, diese Fantasievorstellungen, in die er sich hineingesteigert hat. Ich will Ihnen etwas verraten: Gustav Puth war nicht nur körperlich am Ende. Die Ereignisse der letzten Wochen haben ihn psychisch ruiniert: Der Kampf um den Erhalt der Firma, Frau Michalskis schrecklicher Tod, die Entdeckung, dass Herr Gellermann es gewesen ist, die Feststellung, dass ausgerechnet dieser Mann seine Firma um Hunderttausende betrogen und sie damit noch näher an den Abgrund gestoßen hat – muss ich noch mehr aufzählen? Das alles reicht schon, um einen angeschlagenen Mann in den Wahnsinn zu treiben.«
    »Ich glaube Ihnen kein einziges Wort!«, entfuhr es Mager.
    »Niemand verlangt das, meine Herren. Sie müssen das alles sicher auch noch einmal in Ruhe überdenken. Ich wollte Sie nur über einige Hintergründe aufklären, damit Sie nicht vorschnell falsche Schlüsse aus dem ziehen, was Sie an der Schleuse gehört haben. Ihnen fehlt einfach der Kontext, um diese Tragödie richtig zu verstehen.«
    Verblüfft starrte Mager den kleinen Mann an. Wie konnte der zwei Stunden nach der Szene am Kanal so freundlich und gelassen sein?
    »Und dann wollte ich mich noch bei Ihnen entschuldigen«, fuhr Roggenkemper fast ohne Unterbrechung fort. »Mein Vorwurf, Sie hätten Gustav Puth in den Tod getrieben. Das war einfach ungezogen …«
    Er schaute wie zerknirscht zu Boden und schüttelte das Haupt, als könne er sich selbst nicht begreifen.
    »Halten Sie mir zugute, dass ich zutiefst erschüttert war und bin. Puth war trotz allem ein aufrichtiger und warmherziger Freund – Sie selbst könnten sich keinen besseren wünschen. Diese letzte halbe Stunde werde ich einfach aus meinem Gedächtnis streichen …«
    Ein Streifenwagen rollte auf den reservierten Parkstreifen vor dem Präsidium. Die Polizisten stiegen aus, lachend, schlossen ihren Wagen ab und liefen, noch immer feixend, an ihnen vorbei.
    »Im Übrigen: Unsere Zusammenarbeit sollte von diesen traurigen Vorfällen unberührt bleiben«, sagte Roggenkemper beinahe herzlich und strich sich mit der rechten Hand vorsichtig über seine Haarbürste – als wären die Stoppeln angespitzt und vergiftet.
    »Ich bin mit Ihrer Arbeit sehr zufrieden. Ich habe neulich im Unterbezirk davon erzählt, und mehrere meiner Parteifreunde waren sehr interessiert. Sie würden gern ähnliche Filme über ihre Städte produzieren lassen. Ich glaube, hier sitzt noch mancher Anschlussauftrag für Sie drin. Und ich bin gerne bereit, mein bescheidenes Gewicht für Sie in die Waagschale zu werfen …«
    Er hob den Arm, blickte auf die Uhr und streckte Mager die Hand entgegen.
    »Wie Sie sehen: Ich bin nicht nachtragend. Den kleinen Seitensprung mit dem Film von den Randalierern habe ich schon vergessen. Ich verstehe Sie ja: Eine alte Frau muss viel stricken, damit sie über den Winter kommt. Aber das haben Sie in Zukunft nicht mehr nötig.«
    Er zog die unbenutzte Hand wieder ein, sparte sich eine zweite Niederlage bei Saale, nickte aber beiden noch einmal freundlich zu, bevor er zu seiner nächsten Vorführung enteilte: Lohkamp würde noch seinen Spaß an
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