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Das Ekel von Datteln

Das Ekel von Datteln

Titel: Das Ekel von Datteln
Autoren: Leo P. Reinhard; Ard Junge
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ihm haben.
    Schweigend trugen sie ihre Ausrüstung zum Wagen.
    »So ein Schwein«, sagte Mager. »Der presst die Leute aus wie Zitronen.«
    »Jetzt weißt du, warum die Michalski den Roggenkemper so gehasst hat!«, nickte Saale. »Mit der Vlieland-Geschichte hätte sie es ihm heimzahlen können.«
    »Ich kapier nur eins nicht«, meinte Mager, während er den Wagen startete. »Bei Gellermann hat sie abkassiert, weil er sie abgeschossen hat. Warum hat sie nicht auch den Puth angezapft?«
    »Keine Ahnung. Vielleicht, weil er noch der menschlichste von diesen Gangstern war.«

48
     
     
    Seit Tagen wehte ein unangenehmer Sprühregen über die Insel. Alles troff, und in den Pflastermulden auf der Dorpsstraat bildeten sich riesige Pfützen, deren Wasser nicht mehr abfloss. Der Sturm rüttelte an Dachziegeln und Fensterläden und riss die Blätter von den Bäumen. Im Watt drückten, sobald die Flut stieg, die grauen Wogen so hoch gegen den Deich, als wollten sie nun auch Oost-Vlieland von der Landkarte tilgen.
    Herbstwetter, Nachsaison: Die Touristenzahl war auf unter vierhundert geschrumpft. Trotzdem mussten jetzt noch viele Menschen morgens zur Arbeit: Der Fährbetrieb zum Festland ging weiter, Post, Banken und die meisten Läden und Hotels blieben geöffnet, der Kindergarten und die Schule hatten die nächsten Ferien noch weit vor sich, und auch die drei Männer der Rijkspolitie taten ihren Dienst. Ungewöhnlich war lediglich das Treiben im Rathausgarten.
    Oberwachtmeister Hoekstra stand seit zwei Tagen im Regenumhang zwischen Deich und Rathaus und sah zu, wie sechs Mitarbeiter der Taktischen Recherche aus Leeuwarden Stück für Stück den Rasen abhoben und metertiefe Löcher in den Sand schaufelten. Mehr als einmal geschah es, dass sie bis zu den Knöcheln im Wasser standen, und nicht immer war klar, ob es noch der Regen oder schon das Grundwasser war.
    Neben einer Unzahl von Muscheln, Krebspanzern und Fischskeletten förderten sie einige Gegenstände zu Tage, von denen keiner zu sagen wusste, wie sie in den sandigen Boden geraten sein mochten: ein verrosteter Hammer ohne Stiel, ein paar Münzen aus dem letzten Jahrhundert, eine Ölsardinenbüchse aus den Dreißigern und ein verrotteter Turnschuh aus den Sechzigern.
    Zum Schluss sah der Garten aus wie eine Baugrube, aber von der menschlichen Leiche, die es hier geben sollte, fand sich keine Spur.
    Vor Nässe triefend, trafen sich die Polizisten im Rathaus, schlürften heißen Tee und kalten Genever, berieten. Die einzige Konsequenz, die sich aus ihren bisherigen Misserfolgen ergab, würde dem Bürgermeister der Insel nicht gefallen.
    »Ihr seid ja verrückt!«, brauste van der Meer erwartungsgemäß auf, als sie ihm ihren Vorschlag unterbreiteten. »Außerdem gibt es hier keine Leiche, auf der Insel wurde niemals jemand vermisst …«
    »Wir müssen es genau wissen, Fokke. Und anders geht es nicht …«
    Nachdenken, Schweigen, Kopfschütteln. Hoekstra gab von seinem Vorrat Zigarillos ab, den er ständig bei sich trug und täglich erneuern musste. Das gemeinsame Rauchopfer half dem Bürgermeister, in allen Ehren zu kapitulieren.
    »Also gut …«
    Missmutig sah er zu, wie die Polizisten den braunen Holzbungalow in Angriff nahmen, der zur Erweiterung der Büroflächen im Garten aufgestellt war. Sie benötigten einen ganzen Tag, bis sie sämtliche Akten und Möbel herausgeschleppt hatten. Tische, Stühle und Aktenschränke versperrten alle Gänge und Ablageflächen im Hauptgebäude und machten jede geregelte Weiterarbeit unmöglich. Der Gartensand knirschte in allen Gängen.
    Dann begannen die Polizisten, die Fußböden aus dem Bungalow herauszumontieren und die Einzelteile unter Plastikplanen zu stapeln. Was man wiederverwenden konnte, brauchte nicht bezahlt zu werden. Mit Spitzhacken wurde die dünne Betonschicht unter dem Fußbodenholz durchstoßen und quadratmeterweise zerhackt. Die Männer husteten nun noch heftiger als vorher: Zu den Erkältungen, die sie sich schon im Freien eingefangen hatten, kam jetzt noch der Staub. Graue Wolken wirbelten auf und setzten sich an den Wänden, in der Kleidung und in den Haaren fest. Eimerweise wurden die Betonbrocken vor die Tür getragen und zu einem riesigen Haufen aufgeschüttet.
    Dann kam der Sand an die Reihe. Schaufelweise. Die Polizisten arbeiteten mit der Umsicht von Archäologen, die ein Römerlager freilegten und auf Gegenstände aus Glas und Keramik stoßen konnten, von denen sie nicht eine Scherbe zerbrechen wollten.
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