Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Ekel von Datteln

Das Ekel von Datteln

Titel: Das Ekel von Datteln
Autoren: Leo P. Reinhard; Ard Junge
Vom Netzwerk:
1
     
     
    Die Frau auf dem Barhocker war Ende zwanzig und hatte sich allem Anschein nach in der Tür geirrt.
    Sie trug ein hellgraues Baumwollkostüm, eine zartrosa Seidenbluse und dazu passende Pumps. Ihre dunklen, leicht gekräuselten Haare wippten vom Mittelscheitel aus gleichmäßig nach beiden Seiten weg und legten ein Paar goldener Ohrclips frei. Von der Wimperntusche bis zum Nagellack war ihr Make-up perfekt auf die lässig-elegante Kleidung abgestimmt.
    Der Schuppen hieß De Stoep und war seit seiner Renovierung gemütlich wie ein Fußgängertunnel. Ein halbes Dutzend Kids hing auf der Tanzfläche herum, sechs, acht weitere dösten am Tresen vor sich hin. Die meisten steckten in Turnschuhen, Jeans und bunten Sweatshirts, kaum einer war älter als achtzehn. Falls es auf der Welt etwas gab, das ihnen wieder Leben einhauchen konnte – Popcorn, der Plattenhit aus ihrem ersten Kindergartenjahr, war sicherlich die falsche Medizin.
    Die Crew der Keller-Disco ertrug die Pleite mit Kaugummi und Arroganz. Die Saison war abgehakt, seit der Juli-Regen den Zeltplatz, von dem der Laden lebte, in ein Binnenmeer verwandelt hatte. Selbst echte Nordsee-Freaks hatten last minute Costa Brava gebucht. Die paar Schaufeln Kohle, die Petrus im August nachgelegt hatte, holten keinen mehr von da unten zurück.
    Schräg gegenüber der Lady parkte ein deutlich jüngerer, hochgewachsener Jeans-Typ hinter einem Glas Heineken. Seine blauen Augen schauten aufmerksam hinüber. Noch war ihm unklar, ob sie jemanden erwartete oder Anschluss suchte. Der Discjockey hatte keinen Zweifel, welche Variante dem Gelockten lieber war.
    Eine Madonna- und zwei Prince-Songs fegten durch die Boxen, ohne dass der Blonde seinem Ziel näher kam. Die Lady saß nur da und zählte die Tropfen ihrer Bloody Mary.
    Schließlich hatte der Mann am Mischpult ein Einsehen. Von ganz unten zog er ein abgegriffenes Cover hervor, entstaubte die Scheibe und ließ sie kreisen. Cohens Song von der verhurten Nancy wehte durch das Gewölbe.
    Die Frau sah auf. Ihr Blick flog erst zum Cockpit des Plattenpiloten, dann zu ihrem Anbeter hinüber. Die braunen Augen blieben unverändert ausdruckslos, wichen aber nicht mehr aus. Als der Refrain begann, hoben sich kaum merklich ihre Brauen.
     
    Eine halbe Stunde später verließ das Paar die Stoep und verschwand in der Gasse gegenüber. Zwischen hohen Gartenhecken zog Locke die Lady zu sich heran und starrte ihr ins Gesicht. Zwei-, dreimal wischte der Lichtarm des Leuchtturms über Dächer und Baumwipfel hinweg, dann küsste er sie. Ihr Mund war weich, und sie war so klein, dass sie in seiner Umarmung fast verschwand.
    Als seine Hand unter ihren Rock kroch, drückte sie ihn von sich weg: »Nicht hier …«
    Sie sah seine Enttäuschung und lächelte. Wortlos zog sie ihn auf die leere Dorpsstraat zurück zum Hotel Albatros, das keine hundert Schritte entfernt lag. Der Lange zögerte: Das gesamte Erdgeschoss mit Glasveranda, Foyer und Gaststube war hell erleuchtet.
    »Komm!«, sagte sie und stieß die Tür auf. Ohne sich noch einmal nach ihm umzusehen, eilte sie auf den engen Durchgang zum Treppenhaus zu. Bevor sie hinter der nächsten Biegung verschwand, setzte er sich in Bewegung. Irgendwo ging eine Tür, doch da waren sie schon auf dem Weg nach oben.
    Ihr Zimmer lag in einem Anbau auf der Hofseite. Sie öffnete, ließ den Schlüssel auf einen Sessel fallen, der zwischen den Fenstern stand, und zog die Vorhänge vor. Im Halbdunkel fegte sie fast einen Stapel Prospekte von der Schreibplatte, dann schaltete sie die Leselampe über dem hinteren Teil des Doppelbetts an und wandte sich um.
    Er folgte ihr. Mit der Schulter drückte er die Tür ins Schloss und lehnte sich an das Holz.
    »Einen Drink?«
    Er nickte.
    Sie holte ein Wasserglas aus dem Bad, griff zu der Flasche Dimple auf der Ablage hinter dem Bett und goss ein. Er kam näher, trank, gab ihr das Gefäß zurück. Noch während sie es leerte, fing er an, sie auszuziehen.
    Sie hatte schmale Schultern, kleine, kegelförmige Brüste mit festen Warzen und eine sehr zerbrechlich wirkende Taille. Ihre straffe Haut war leicht, aber gleichmäßig gebräunt.
    »Na, komm schon!«, sagte sie leise und legte ihre Arme um seinen Hals.
    Er küsste sie: Stirn und Nase, die Lippen. Die Halsbeuge. Ihre Brüste. Als er noch tiefer hinab wollte, hielt sie seinen Kopf fest und zog ihn wieder hoch.
    Sie sahen sich an. Ihre Augen kamen ihm jetzt viel tiefer und viel weicher vor. Er drückte sie an sich,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher