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Das Ekel von Datteln

Das Ekel von Datteln

Titel: Das Ekel von Datteln
Autoren: Leo P. Reinhard; Ard Junge
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nicht zusammen…
    »Henk!« Der ältere Dijkstra zerschnitt die Gedankenkette des Polizisten. »Gleich kommen neue Gäste. Kann ich die überhaupt aufnehmen?«
    »Bitte? Ja, ich denke doch. Aber nicht hier oben, Cornelius. Den Gang und die Feuertreppe darf niemand betreten. Und wenn sich die Sache herumspricht, müssen wir dir wohl den Vordereingang abriegeln …«
    Dijkstra seufzte.
    Im Erdgeschoss kam ihnen Alkema entgegen. Hoekstra schickte ihn nach oben, die Tote zu bewachen, und griff zum Telefon: »Darf ich?«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, wählte er 1305: die Nummer der Königlichen Kavallerie – wie Hollands Panzertruppe in romantischer Verklärung noch immer hieß. Seit 30 Jahren saß sie am öden Ende der Insel weit hinter dem Posthuis und schoss dort im Winter Löcher in den Sand.
    Minuten später war alles klar: Ein Sergeant und sechs Mann rückten aus, um Hoekstras Streitmacht zu verstärken. Denn die bestand, ihn selbst eingerechnet, außerhalb der Saison nur aus drei Polizisten und Lissy, der Halbtagssekretärin.
    Der Oberwachtmeister stieß Dijkstra an: »Komm, ich brauche noch ein paar Angaben fürs Protokoll …«
     
    Die Sachlage war einfach und wurde im Gesellschaftszimmer hinter der Rezeption bei einem Glas Vieux festgehalten: Die Tote hieß Ruth Michalski, war neunundzwanzig Jahre alt und kam aus Oer-Erkenschwick in der Bundesrepublik Deutschland. Sie war am Dienstag mit der letzten Fähre gekommen und hatte sich kurz nach neun angemeldet. Dann hatte sie darum gebeten, nicht geweckt zu werden, und war erst gegen elf am nächsten Morgen wieder aufgetaucht.
    »Danach hat sie sich wohl die Insel angesehen. Sie war am Leuchtturm und kam abends mit einem ganzen Berg von Prospekten wieder. Nach dem Essen ist sie gleich aufs Zimmer gegangen …«
    Auch an den beiden folgenden Tagen war sie unterwegs gewesen. Doch am Freitag gab es eine Abweichung in ihrem Programm. Irgendwann nach neun hatte sie das Hotel noch einmal verlassen: »Wo sie war? Das müsst ihr herausfinden …«
    Hoekstra hatte einen Kugelschreiber gezückt und bemühte sich, die Fakten übersichtlich aufzulisten. Er schrieb langsam, mit Druckbuchstaben, die etwas nach links wegkippten, aber so deutlich waren, dass Lissy keine Chance hatte, beim Tippen Fehler einzubauen.
    »Ist dir an ihrem Verhalten etwas aufgefallen?«
    Der Hotelier dachte einige Augenblicke nach.
    »Sie war am Anfang reichlich abgespannt. Aber nach der Schlafkur ging es ihr Mittwoch und Donnerstag besser. Und gestern Morgen war sie richtig gut gelaunt. Sie hat mich noch etwas über die Insel fragen wollen. Ich habe sie auf heute vertröstet.«
    Die beiden Männer schwiegen einen Augenblick.
    »Noch etwas«, fügte Dijkstra dann hinzu. »Im Safe liegt ein dicker Briefumschlag. 3000 Mark …«
    Hoekstra nickte und schrieb auch das auf.
    »Und wen sie mit aufs Zimmer genommen hat, hast du nicht gesehen?«
    »Soll ich hinterherlaufen? Die Frau war alt genug, um zu wissen, was sie tat.«
    Der Polizist legte ihm die Hand auf den Unterarm: »Keiner wird dir einen Vorwurf machen, Cornelius. Wir haben nicht mehr 1950 …«
    Einige Atemzüge lang sahen sie sich stumm an und lauschten dem Ticken der Wanduhr, die von Fotos der Eltern Dijkstras eingerahmt wurde.
    »Du wirst jetzt Ärger haben«, meinte Hoekstra. »Aber ich tu alles, damit es möglichst wenig wird. Denk an de Gruyter – der hat noch mehr Trouble …«
    Dijkstra schniefte. De Gruyter hatte im Frühjahr am Strand das größte Hotel der Insel aufgemacht. Der Schuppen war ganz auf jene Schickeria zugeschnitten, die um Vlieland bisher immer einen großen Bogen geschlagen hatte. Am 3. August stand die Bettenburg in Flammen.
    Spekulationen, die Konkurrenz hätte zugeschlagen, hatte Rijkspolitie erst vor einer Woche entkräften können. Der Schuldige war ein achtzehnjähriger Hilfskoch des Hauses, und das Motiv hatte er aus dem Fernsehen: Erfolglos in eine Kellnerin verknallt, wollte er sie dadurch gewinnen, dass er sie aus dem Feuer trug. Aber auch das hatte nicht geklappt.
    »Oer-Erkenschwick«, grübelte Hoekstra. »Wo liegt das?«
    Nach zehn Minuten hatten sie den Ort auf der Karte gefunden: im Kreis Recklinghausen, zwischen zwei Nestern namens Marl und Datteln.
    »Was meinst du, Henk«, fragte Dijkstra. »Ob das einer von der Insel war? Ich kann’s nicht glauben.«
    »Wer weiß das heutzutage schon«, meinte Hoekstra, gab dem Hotelier aber insgeheim recht. Viel zu tun hatte er nur im Sommer, wenn sich 6000
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