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Das Ekel von Datteln

Das Ekel von Datteln

Titel: Das Ekel von Datteln
Autoren: Leo P. Reinhard; Ard Junge
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Mischpult. Offenbar fand sie den Plan, ihr Germanistik-Studium mit einem Halbtags-Job bei PEGASUS zu finanzieren, plötzlich gar nicht mehr so berauschend.
    Dann nickte sie. Und sagte, ohne Mager anzusehen: »Also gut. Aber eins schwöre ich dir: Das war mein erster und mein letzter Auftritt in einem von euren Horror-Videos. Das gehört nämlich nicht zu meinem Job!«
    Du wirst dich noch wundern, dachte Mager. Er kannte den Laden besser. Dreißig Prozent der roten Zahlen auf den Firmenkonten gehörten ihm.
     
    Die »PEGASUS FILM & VIDEO GmbH« war laut Briefkopf spezialisiert auf Dokumentation und Werbung. Mager hatte den Laden zwei Jahre zuvor zusammen mit Susanne Ledig, Exlokalreporterin der WAZ und freie Mitarbeiterin beim WDR, aus der Taufe gehoben. Das Ziel war klar: Eines Tages sollte ihr Firmenarchiv die Chefetagen von Bertelsmann überragen.
    Vorläufig versteckte sich der künftige Medienriese noch in einem 83 Jahre alten Zechenhaus dicht am Niemandsland zwischen den Ruhrgebietsmetropolen Marten, Oespel und Lütgendortmund. Der Geldadel der Bierstadt vermutete hier bestenfalls Müllhalden und Asylantendeponien. Nur deshalb hatten, wie Mager behauptete, Ärzte, Anwälte und andere Abschreibungsartisten dieses Fleckchen Erde noch halbwegs verschont …
    »Also los!«, kommandierte er und startete das Band.
    Dieselbe Szene von vorn. Wieder schwitzte sich der Muskelmann die Schminke vom Leib, wieder wehte die Fata Morgana heran, wieder rollte die Mischmaschine los. Und diesmal holte die Rote auch gleichzeitig mit ihrer blonden Schwester auf dem Monitor Luft: »Müllers Melkmaschinen – ja, die …«
    Mager stoppte die Anlage, stemmte sich hoch und stampfte zur Tür. Als er schon in der engen Diele steckte, die das Studio von den beiden Büroräumen trennte, hielt er es nicht mehr aus.
    »Das hat überhaupt nichts mit der Uhrzeit zu tun, Mäuschen. Du bist ganz einfach zu dämlich für diesen Job. Wenn du nur halb so viel im Kopf hättest wie in der Bluse, dann …«
    Die Rote schrie auf. Sie krallte sich den ersten Gegenstand, der ihr unter die Greifer geriet, und holte aus. Mager konnte gerade noch den Kopf einziehen, da zerbarst am Türrahmen etwas sehr Gläsernes. Sein ehemaliger Lieblingsaschenbecher regnete auf den PVC-Boden herab, dann hörte er nur noch ein Schluchzen.
    Er setzte sich an den Schreibtisch und löste die Sperre der Rolltür. Die Lamellen schossen nach unten. Eine Flasche La Ribaude tauchte auf, daneben ein beinahe sauberes Wasserglas.
    Fast im selben Augenblick öffnete sich die Tür zum Hausflur. Eine echte Blondine betrat den Kampfplatz, kurze Haare, dünn und schmal, Rock und Bluse. Sie warf eine Schultertasche aus echtem Rindsleder auf den Besucherstuhl und bettete ihr Popelinejäckchen daneben – eine Symphonie in Beige und hellem Braun.
    »Vor zwölf säuft nur der Chef!«, sagte sie, pflückte Mager das Glas aus den Händen und leerte es mit einem Zug.
    »Igitt! Asbach!«
    »Asbach?« Der Dicke fuhr hoch. Er goss nach und rammte seine Nase in das Gefäß.
    Calvados roch anders.
    »Saale, die alte Filzlaus! Dafür muss er büßen! Ich möchte nur wissen, wann …«
    Susanne feixte.
    »Ach so!«, meinte Mager. »Verstehe. Stand der Kerl gestern Abend wieder vor deiner Tür? Den Ich-bin-ja-so-einsam- Blick im Gesicht? Ein Fläschchen wie dies hier im Gepäck?«
    Die Augen der Blonden wurden schmal: »Es gibt Dinge, Klaus-Ulrich, die gehen dich nichts mehr an. Aber mich geht etwas an: Seid ihr fertig?«
    »Ja«, stöhnte er und trank jetzt doch. »Mit den Nerven. Die Tussi aus Bochum ist einfach bescheuert. Wir sollten sie wieder feuern …«
    »Wir? Seit wann dürfen Teilhaber Leute feuern?«
    »Mensch, die Rote ruiniert uns …«
    »Schluss! Sie bleibt. Den Bürokram macht sie doch schon ganz ordentlich. Und den Rest lernt sie. Auch bei dir …«
    Auf dem Flur knirschte Glas. Karin kehrte ins Leben zurück. Die Wimpern renoviert, Wüstenstaub auf den Wangen, Augen wie Dolche.
    »Lernen? Bei dem? Da springe ich lieber vom Fernsehturm!«
    »Prima Idee«, nickte Mager. »Komm schon, ich fahr dich eben hin!«
    Die Chefin nahm die Rote in den Arm.
    »Du darfst diese Anfälle nicht persönlich nehmen. Kläuschen braucht das ab und zu. Bei Männern in seinem Alter kommt eben alles auf einmal: Ehekrise, Orgasmusprobleme, Prostata …«
    Wie immer bei solchen Anlässen stellte sich Mager stocktaub. Gegen Susanne war bislang kein Kraut gewachsen. Und »Ehekrise« war noch eine äußerst milde
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