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Butterbrot

Butterbrot

Titel: Butterbrot
Autoren: Gabriel Barylli
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eine einzige davon ißt, träumt davon, wie es ist, verliebt zu sein -und weil das so schön ist, paßt der Zauberdrache auf, daß nicht alle Menschen nur mehr Zaubererdbeeren essen wollen und dadurch zu faul werden, sich wirklich um die Liebe zu bemühen.«
    »Ach, so war das -«
    »Ja - so ist das.«
    »Aber was ist, wenn der Zauberdrache einmal Spazierengehen würde und alle schnell eine Zaubererdbeere essen und alle den gleichen Traum träumen - wäre das so schlecht?«
    »Sehr schlecht sogar - weil man dann nämlich nie mehr aufwacht, wenn der Traum vorbei ist - und willst du dein Leben lang verschlafen für einen einzigen kurzen Traum?«
    »Nein - ich möchte das alles im Wachsein erleben -«
    »Na siehst du -«
    »Dann ist der Zauberdrache ja ein guter Drache, der mir hilft, keinen Unsinn zu machen.«
    »Ich sehe, du hast das Märchen vom Zauberdrachen voll und ganz verstanden.«
    »Gott sei Dank. Und jetzt macht der Zauberdrache gerade Urlaub in Venedig - oder wie ist das?«
    »Nein, nein - das war sein kleiner Bruder - der die Neuigkeiten einsammelt, aus denen die frischen Erdbeerträume gemacht werden - dazu fährt er hier herum und geht Wahrheiten einsammeln, die dann von der guten Hexe des Nordens zu einem Traum destilliert werden, den sie dann über die jungen Erdbeeren schüttet.«
    »Das ist ja ein richtiger Familienbetrieb.«
    »Mhm? Und was für Wahrheiten hat er heute schon entdeckt und geerntet?!«
    »Ach - hier einen Kuß und dort ein Lachen und hier, zum Beispiel, eines der schönsten Abendessen, die ich in meinem ganzen Leben erlebt habe.«
    »Ist das so?«
    »Ja - das ist so.«
    »Und das kann er so einfach ernten?«
    »Ja - weil jede Sekunde, die wir bis jetzt gemeinsam hier waren, schon eine Vergangenheit ist - und die erntet er, ohne sie uns wegzunehmen.«
    »Wie geht das -?«
    »Er nimmt alle Gewichte aus der Vergangenheit und läßt nur ihren Schimmer zurück - auf diese Weise wird sie nie zu einem Bleikoffer, sondern läßt einen in die Zukunft fliegen, die in dieser Sekunde schon wieder begonnen hat.«
    »Siehst du - das habe ich jetzt beinahe alles vergessen gehabt.«
    »Wie gut, daß wir uns getroffen haben, um den Sand aus der Oase zu kehren.«
    »Täglich aufs neue.«
    »Ja, Maria - täglich aufs neue.«
    Ich nahm ihren Löffel und kostete noch einmal von ihrem Tiramisu, weil ich meine zweite Portion auch schon aufgegessen hatte und wissen wollte, ob ihres genauso geschmeckt hatte wie meines. Gott sei Dank war es wirklich genauso ein Tiramisu wie meines -sonst hätte ich noch zwei Portionen bestellen müssen, um noch einmal vergleichen zu können.
    »Es gibt sicher viele Menschen, die dich einen egoistischen Hund nennen« - sagte sie plötzlich in meine Entdeckungen hinein, und damit hatte sie völlig recht.
    »Ja« - sagte ich - »sehr viele sogar. Aber was soll ich machen - es ist nicht mein Problem, daß es so viele verschiedene Meinungen zu ein und demselben Tiramisu gibt. Was dem einen ein Höhenflug ist, ist dem anderen eine spurenelementevernichtende Zuckerbombe. Und wer mich einen krummen Hund nennt und sagt, ich könne nicht lieben und schon gar nicht leben, der weiß eben nichts mit meiner Landessprache anzufangen - das ist alles.«
    »Tja - vielleicht ist es wirklich so einfach.«
    »Ich glaube schon.«
    »Man darf wirklich keinem Ding einen Namen geben, wenn man keine Mißverständnisse heraufbeschwören will.«
    »Richtig - oder sagen wir so - man soll die Gefühle nicht bei ihren Abkürzungen nennen.«
    »Das heißt, man darf nie wieder einfach >Liebe< sagen?«
    »Man darf schon einfach >Liebe< sagen-wenn diejenigen, die diese Abkürzung benützen, wissen, was für eine Pyramide unter dem Zipfel gemeint ist, der aus dem Sand ragt und zu dem man >Liebe< sagt. - Entweder man schweigt für immer und erlebt nur das, was man fühlt, dann gibt es nämlich überhaupt keine Mißverständnisse. Wenn man aber ein Mensch ist, der gerne plaudert, so wie du und ich zum Beispiel - dann muß man zuerst viele, viele Worte machen, die alle dreihundertsechzig möglichen Luftbewegungsrichtungen genau erwähnen, bevor man dann aus Gründen der Zeitersparnis einfach >Wind< sagen kann.«
    »Mhm.«
    »Ja, glaube ich schon.«
    »Ja - glaube ich auch.«
    »Was ist denn für dich >Liebe< -?!«
    Sie lachte kurz und sah über das Wasser, ob nicht ein Zauberdrache vorbeischwimmen würde - der dunkle Spiegel aber lag genauso scheinbar ruhig da und wartete auf das, was sie sagen würde, wie ich ruhig
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