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Butterbrot

Butterbrot

Titel: Butterbrot
Autoren: Gabriel Barylli
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bald einmal sehen.«
    »Oh - eine Frau darf ins Fort - nein, nicht wirklich?!«
    »Oh doch - warum denn nicht?«
    »Na ja - das ist doch ein Sperrbezirk, nicht - und außerdem könnte das doch den Wehrwillen untergraben -«
    »Du verwechselst mich.«
    »Wieso?«
    »Ich bin ein Sioux und kein Kavallerist, und wir leben nicht in einem Fort, sondern in einem Dorf, in dem
    w
    jeder sein Tipi hat, und in meinem Zelt kann ich tun und reinlassen, wen ich will.«
    »Das ist gut -«
    »Ja, ja ... Wir sind nämlich nicht blöde, weißt du!«
    »Das habe ich mir schon fast gedacht.«
    Sie lächelte mir so einen zärtlichen Gruß herüber, daß ich mir überhaupt nicht vorstellen konnte, mit dieser Frau jemals zu streiten oder Mißverständnisse zu erleben oder gar Eispickel zu kaufen.
    »Was denkst du?«
    »Ich habe dich angeschaut und mir gedacht, daß ich mir nicht vorstellen kann, daß wir zwei jemals streiten.«
    Sie lachte wie der Hase Klopfer, nachdem Bambi versucht hat, auf dem zugefrorenen Eis Schlittschuh zu laufen, und ich dachte schon daran, ob ich nicht für den Rest des Abends nur mehr Witze erzählen sollte. Einfach nur, damit sie nicht mehr aufhört zu lachen. So süchtig war ich nach ihrer Freude und nach ihrer Leichtigkeit.
    »Siehst du, jetzt lachst du mich aus -«
    »Nein, nein - ich lache dich nicht aus - ich lache dich an.«
    »Oh - das ist allerdings was anderes.«
    »Ja, das ist es.«
    Seltsam - dachte ich - warum sehen oft zwei ganz verschiedene Gefühle so aus, als ob sie ein und dasselbe wären. Warum dieses Spiegelkabinett der Verwechslungen, die für so viele Vergnügungsparkbesucher ein Leben lang dauern.
    »Au -!«
    Man darf sich eben auf nichts verlassen, und man darf
    nie glauben, daß man etwas schon kennt, nur weil das äußere Zeichen schon einmal aufgetaucht ist und damals etwas bedeutet hat, was am heutigen Tag schon überhaupt nicht mehr gelten muß. Wenn ich nur daran denke, daß man in Bulgarien mit dem Kopf nickt, wenn man »nein« meint und ihn schüttelt, wenn es »ja« heißen soll. Oh wie schnell geht man den eigenen Gewohnheiten in die Falle und ist faul genug, sich an der Erinnerung zu orientieren, anstatt wirklich die Augen aufzumachen und zu schauen, was Sache ist.
    So viele Menschen schauen am Morgen in den Spiegel und glauben, sie seien am Leben, nur weil derselbe Kerl wie gestern vor ihnen steht - welch grauenhafter Irrtum, sage ich - welch grauenhafter Irrtum - der Fluß, in den ich steige, ist ein anderer als der, den ich verlasse - sage ich nur - und da ja bekanntlich alles fließt, gibt es nichts, auf das man sich verlassen darf, nur weil es eben noch so war.
    Die Sehnsucht nach Sicherheit, die alles auf den Status quo einfrieren möchte, ist die Falltüre zu unserem persönlichen Tod.
    Sicher ist nur, daß alles unsicher ist, und das ist doch auch eine Sicherheit, in der man sich daheim fühlen kann - wenn man schon so sehr an dem Wort hängt, auf dem letzten Endes unsere gesamte Kultur aufgebaut ist.
    Treibsand in den Gezeiten der Geschichte ist alles und jedes, dem wir auf dieser Erde begegnen, und die scheinbar festen Formen der Dinge und Gedanken und Gefühle sind nichts anderes als kurzlebige Runen im Buch der Vergänglichkeit.
    Alles, was man festhalten möchte, nimmt einem der große Strom aus der Hand, und je stärker man sich festkrallt, um so sicherer bricht man sich die Finger, die man eigentlich geschenkt bekommen hat, um damit zu schwimmen.
    Das Ufer, das so sehr nach Ewigkeit aussieht, ist nur ein Rastplatz, um den besten Weg zu erspähen, der in die Mitte des Stromes führt, in dem das Wasser am gleichmäßigsten fließt, wenn man aber zu lange sitzen bleibt, nagt das Wasser den Grund weg, auf dem man ein Häuschen bauen wollte, und es gibt mehr Verletzte und Tote als Überlebende.
    Miteinander dasselbe tun - ist die Ursehnsucht, die hinter allem Festhalten steckt. Aber miteinander Fließen ist die einzige Erfüllung dieser Sehnsucht - aber wie soll man das jemandem erklären, der fünfunddreißig Jahre lang ein Häuschen abbezahlt hat und sich dann, darin festsitzend, fragt, wo denn seine Freude geblieben ist und die Liebe zu der Frau, die er im Kohlenkeller einzementiert hat.
    »Frauenhaus - Männerhaus - das ist die einzige Lösung auf dem Weg zur Glückseligkeit.«
    »Was, was, was?!«
    »Ich sage nur: >Frauenhaus - Männerhaus!< Das ist die einzige Möglichkeit, in der Unterschiedlichkeit miteinander zu leben!«
    »Martin.«
    »Ja, Maria?«
    »Ich
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