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Butterbrot

Butterbrot

Titel: Butterbrot
Autoren: Gabriel Barylli
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von dem Schwung getragen, bis in die Burgkapelle geschleudert wird, um dort das »Jawort« abzuliefern.
    Denn wenn man schon so viel Lebenskraft investiert hat, dann will man auch ganz sicher sein, daß einem diese Eroberung niemand mehr wegnehmen kann. Dann hat man endlich unter Dach und Fach, was in Wahrheit ein wunderbarer Abend gewesen wäre, eine wunderbare sanfte Welle am Strand des eigenen Lebens - auf die im ewigen Rhythmus andere folgen. Konkret -
    Ich bin seit fünf Jahren verheiratet und kann die Hände nicht mehr vor die Augen, die Ohren und den Mund halten. Egal wohin das führen wird - ein Zurück ist nicht mehr möglich - ich bin erwacht.
    Mein Gott, Lilly!
    Unser erster Abend war so schön.
    Ich war dreißig Jahre alt geworden, und es gab eigentlich nichts mehr, was mich erschrecken konnte. Ich hatte von meinem Vater einen Schuhmacherladen übernommen und hatte ihn zum »ersten Haus am Platz« gemacht.
    Ich liebe diesen Ausdruck - mein Vater hat zu mir gesagt: »Mach unseren Laden zum ersten Haus am Platz
    - wenn es einer kann, dann du.«
    Ich hatte Freude an diesem Geschäft, vor allem - ich konnte riechen, wohin der Trend gehen würde. Es ist so wie Pilze suchen, eigentlich ist das kein Suchen, sondern ein Finden. Man weiß nicht, wieso man im Wald um die Tanne rechts biegt - obwohl man auch nach links biegen könnte. Egal - man biegt um die Tanne rechts und steht vor einer Gruppe zarter Champignons. Es ist fast so, als hätten sie einen gerufen und man hätte es gehört,... ja - fast möchte ich sagen: der Champignon im eigenen Herzen hört das Rufen hinter der Tanne, die da rechts steht.
    Das hat nichts mit Erfahrung zu tun - sondern mit Instinkt. Und diesen Instinkt hatte ich auch bei Schuhen.
    Ich war der erste, der plötzlich wußte, welches Leder in welcher Farbe in welchem Schnitt im Kommen sein würde. Ich wußte, welche Höhe die Absätze haben würden, und bestellte extra flache in einer Zeit, als noch Hochhaus angesagt war.
    Ich fuhr nach Italien, um in der Nähe von Perugia Handwerker aufzutreiben, die den doppelten Kreuzstich in Rindsledermokassins nähen konnten, in einer Zeit, als alle Welt einfachen Kreuzstich trug.
    Meine Aktion mit den türkisen Aufnähern war unvergleichlich. In der ersten Woche wäre mein Lager leer gewesen, wenn ich nicht »in Pink« doppelt soviel bestellt hätte.
    Tja - wir wurden das »erste Haus am Platz«, und ich war glücklich.
    Mit den Frauen gab es überhaupt keine Probleme, weil ich immer genau wußte, wo die Demarkationslinie verläuft - außerdem konnte ich bei meinen Reisen nach Perugia immer wieder der Matrose sein, der in den Hafen nur einfährt, weil er weiß, daß das Schiff wieder ausläuft.
    Ich hatte viele glückliche Momente in dieser Zeit -viele - Anna - Sophia - Charlotta.
    Sie waren froh, daß ich kam, froh, daß ich blieb, und froh, daß ich wieder ging -
    Nein, nein, nein - nicht, weil wir uns auf die Nerven gingen. Eben nicht. Sie waren froh, daß ich ging, »bevor« wir uns auf die Nerven gehen konnten. Und ich war froh - Erfolg im Beruf - Abwechslung in den Häfen - was wollte ich mehr.
    Dann kam der Abend.
    Ich war zu Freunden eingeladen, die eine »Scrambled-eggs«-Party gaben.
    Eine »Scrambled-eggs«-Party ist eine Party, zu der nur Menschen eingeladen werden, die überhaupt nichts miteinander zu tun haben, einander nicht kennen, einander nicht vorgestellt werden, aber einander kennenlernen wollen, um ihre Üblichkeiten hinter sich zu lassen.
    Bei einer »Scrambled-eggs«-Party sitzt ein Teilchenphysiker neben einer Eisverkäuferin und lernt wieder, eine Sprache zu sprechen, die verständlich und einsichtig ist.
    Ein »Becher zu vier« sind vier Kugeln, ein »Becher zu sechs« sind sechs Kugeln. Ohne Wenn und Aber und ohne Wahrscheinlichkeitsberechnungskurven, sonst schmilzt das Ganze zusammen, und man bekommt klebrige Finger.
    Fußballer sitzen neben Souffleusen -Dichter neben Hausfrauen -und Lilly saß neben mir.
    Besser gesagt - zuerst ging sie nur an mir vorbei, während ich dasaß und ihre Beine sehen konnte.
    Sie hat so wunderschöne Beine, schlank und zart um die Knöchel und mit einer durchgehenden Linie über die Waden, das Knie, die Oberschenkel, über die Hüften bis zum Hals.
    Ununterbrochen.
    »Ununterbrochen«, dachte ich mir, als diese Beine an mir vorübergingen. In schwarzen, halbhohen Stöckelschuhen - genau solchen Schuhen, von denen ich wußte, daß sie erst wieder in zwei Jahren ...
    Sie trug ein rotes
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