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Butterbrot

Butterbrot

Titel: Butterbrot
Autoren: Gabriel Barylli
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den Duft verströmen, der die Bienen anzieht. Wie also soll sie sicher sein, daß nicht schon morgen eine andere Blüte zu duften beginnt?!
    Eben - aber die Heirat verändert alles ... alles - alles
    - alles - alles - alles - alles - alles!
    Selbst wenn er dann den Kopf noch nach anderen Far-
    ben wendet und mit den Flügeln schlägt, ja sogar, wenn er einmal aus dem Bienenkorb hinausfliegen sollte - die andere ist niemals das, was sie ist - nämlich die einzige, die Herrin, die Siegerin, die Göttliche, die Mutter meiner noch zur Welt zu bringenden Söhne und Töchter, die allumfassende, schutzgewährende, hoch über allem unerreichbar sitzende, unvergleichliche Madonna der Madonnen.
    Vor allem wollte ich nicht, daß sie nach mir noch mit anderen ins Bett geht.
    Man muß den Mut zur Wahrheit haben, und das ist die Wahrheit - und ich möchte denjenigen sehen, der etwas anderes sagt.
    »Lügner« - »Lügner«, würde ich ihm zurufen - »Lügner« - »Lügner«, und dann würde ich mich abwenden. Den Mann muß man mir zeigen, der es erträgt, daß ein anderer seine Geliebte berührt, seinen Honig saugt, seinen Schatz hebt, zu dem nur er die Karte besitzt.
    Ich meine jetzt natürlich nicht die Abenteuer, die am Fenster der Seele vorbeifliegen wie Telefonmasten am Abteilfenster eines D-Zuges - nein - ich meine, wenn »es« geschehen ist ... das Unvergleichliche. Wenn man einmal wirklich und zum ersten Mal erlebt hat, daß sich das Herz zu öffnen beginnt bei einem Kuß, daß der Atem in der Nacht zu einem Atem wird, und daß man nicht mehr weiß, wo der eigene Körper endet und der andere beginnt - das meine ich - wenn man das erlebt hat, dann möchte ich denjenigen sehen, der bereit ist, so eine Frau, so eine Möglichkeit zu lieben mit anderen zu teilen -
    Vordergründiges »Alles-ist-möglich-Geschwätz« von hingabeängstlichen Postmodernisten, die in der
    Panik, mit ihren Eltern verwechselt zu werden, gegen ihre Urgefühle antreten.
    Wie wäre das denn wirklich, wenn man so eine Frau nach so einer Nacht wieder ziehen läßt - nach dem Grundsatz: »Der Wind weht, wo er will«, wie wäre das?!
    Den möchte ich sehen, der dann nicht versucht, sie am nächsten Abend anzurufen, um sie wiederzusehen -um das Herrliche wieder zu erleben - und - was macht er dann, wenn das Telefon läutet und sie nicht abhebt -wie?! - »Gut«, wird er sich sagen - »es ist erst zwanzig Uhr - vielleicht ist sie bei einer Freundin, ich versuche es später« - dann wird er in die Küche gehen und sich ein Sandwich machen und wird sich wundern, wieso er die Mayonnaise danebenklatscht - seltsamerweise danebenklatscht - anstatt auf den Schinken, unter dem er die Butter vergessen hat, es wird ihm gar nicht schmecken - sein Sandwich - und um zwanzig Uhr dreißig wird er wieder anrufen, und dann sagt er sich - »Gut - sie sind ins Kino gegangen«
    - und dann setzt er sich vor den Fernseher und trinkt ein Bier aus der Flasche und verschluckt sich, weil er irgendwie zu hastig trinkt und den Krimi, der da läuft, schon kennt. Um zweiundzwanzig Uhr ist sie dann immer noch nicht da und um dreiundzwanzig Uhr und um vierundzwanzig Uhr und um ein Uhr und zwei Uhr und zwei Uhr dreißig ... und dann steht er in der Küche und wird einsam. Denn woher soll er wissen, daß sie nicht tatsächlich ihre Freiheit genießt
    - so wie man es locker dahingeplaudert hat - und dann sieht er auf einmal irgendeinen Sportler über sie gebeugt und hört sie seufzen und sieht den zarten, feuchten Schleier auf ihrer Brust und sieht, wie sie ihre Nägel in einen anderen Rücken gräbt und überhaupt nicht an ihn denkt - denn das wäre ja nicht ein freies »Hier-und-Jetzt-Sein« - oh - da wird ihm übel werden, unserem Freund, der so viel von den freien Vibrationen zwischen autonomen Individuen zu erzählen wußte, solange er noch nicht verliebt war - ja verliebt.
    Denn das ist er plötzlich und bereut es grauenhaft, sie nicht in der ersten gemeinsamen, traumhaften Nacht mit diesen drei lächerlichen kleinen Worten an sich gebunden zu haben -Ich liebe dich -
    Ist das so schwer - ist das so unaussprechlich - wo es doch ohnehin zum Greifen nah im Raum schwebt und wo es doch beide erleben in einer wirklichen Liebesnacht - ich meine eine wirkliche Liebesnacht und keine vorbeifliegenden Telefonmasten -Na also -
    Eng wird ihm werden, unserem Freigeist - weil er seinen Körper gefühlt hat und die eigene Glut und ihre Glut - und das packt jetzt ein anderer an -?!
    Ha, ha, ha -
    ich lache
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