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Das Geloebnis

Titel: Das Geloebnis
Autoren: Pearl S. Buck
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    In ihrer Verzweiflung müssen die Menschen hoffen, wenn ihnen etwas gelobt worden ist, obwohl es sich nur um ein Gelöbnis handelt.
    So glaubte auch Ling Tan noch immer an das Gelöbnis, obgleich sein zweiter Sohn stets den Kopf schüttelte, wenn der alte Mann davon sprach. Vor allem war Ling Tan, wie so viele, der Ansicht, die Männer von Ying und Mei seien die stärksten und kühnsten Männer der Welt, und er und alle andern in diesem vom Feinde heimgesuchten Land hofften, daß der Gegner auf irgendeine Veranlassung hin sich zuviel herausnehmen würde, wodurch die Fremden jenseits des Meeres aufgestachelt und zur Beteiligung am Krieg gezwungen würden, und damit käme dann alles zu einem Ende. Denn so schlimm und stark der Feind auch sein mochte, niemand glaubte, daß er die Fremden überwältigen könnte, die behaarten Männer von Ying und Mei.
    Ebensowenig hörte Ling Tan auf seine Söhne, wenn sie ihm sagten, daß jene Fremden nicht mehr so stark seien wie ehedem. So sah Lao Er eines Tages in der Stadt, wohin er sich begeben hatte, um eingesalzene Enteneier zu verkaufen, wie ein feindlicher Polizist einem Fremden ins Gesicht spuckte; und der Fremde tat darauf nichts anderes, als daß er sich das Gesicht mit einem Tuch abwischte, welches er aus seiner Tasche zog.
    »Zweifellos trägt er dieses weiße Tuch immer in der Tasche«, sagte Lao Er nach seiner Rückkehr zu seinem Vater, »und er trägt es nur bei sich, um sich damit den Speichel des Gegners vom Gesicht zu wischen. Alle, die es sahen, waren erstaunt, und der Händler, der neben mir stand, sagte, daß er das niemals für möglich gehalten hätte. Er sagte, wenn früher ein fremder Mann oder eine fremde Frau beleidigt worden sei oder sich nur beleidigt gefühlt habe, dann seien immer Männer mit Gewehren von den Kriegsschiffen herbeigeeilt, die stets auf dem Fluß bereitlagen.«
    »Wo sind diese Kriegsschiffe jetzt?« fragte Lao Ta. »Heutzutage liegen nur feindliche Kriegsschiffe auf dem Fluß. Und einmal, als ich mich von der Flußseite dem Stadttor näherte, sah ich, wie sogar Fremde genau wie wir angehalten wurden. Die feindlichen Wachtleute zogen ihnen die Kleider aus und untersuchten ihren Leib, und ohne Waffen waren sie ebenso schwach und hilflos wie wir. Hege jetzt nicht zu große Hoffnungen, alter Vater.«
    So setzten Ling Tan seine beiden Söhne zu, zu seinem eigenen Besten, damit er nicht zu bekümmert wäre, wenn das Gelöbnis, welches die Fremden gegeben, nicht gehalten wurde. Aber er hoffte immer noch, denn welch andere Hoffnung blieb ihm sonst?
    Obwohl der Himmel über den reifen Feldern ruhig und klar war, wurden die Zeitumstände in diesem Herbst immer schlimmer. Das Dorf Ling lebte, als befände es sich inmitten einer schweigenden Welt. Keinerlei Nachrichten drangen von außen herein, nur solche, die von hastig durcheilenden Leuten flüsternd verbreitet werden konnten. Auf diese Weise hörten Ling Tan und seine Söhne, daß der Krieg im freien Land noch immer fortdauerte. Sie hörten auch, daß die Hauptstadt des Landes zwar weiter ins Innere verlegt worden war, daß der Feind aber gleichwohl hinzugelangen und die großen Bomben hinunterzuschicken vermochte, welche die Erde nahe beim Dorf aufgewühlt hatten; eine einzige Bombe war stark genug, um den großen Trichter zu machen. Jetzt war dieser Trichter voll Wasser; und an dem Tag, wo Ling Tan hörte, daß die Hauptstadt im Innern des Landes bombardiert worden war, ging er hin und betrachtete das Loch. Dabei fragte er sich, wie es wohl sein mochte, wenn so große Löcher in eine Stadt gebohrt wurden; und was geschah mit den Menschen? Selbst wenn sie sich in den Felshügeln verbargen, wie man erzählte, konnte es so ewig weitergehen? Um so stärker drängte sich ihm die Hoffnung auf, daß von der Außenwelt eine Hilfe gegen diesen bitteren Feind kommen möge.
    Und dann hörten Ling Tan und seine Söhne im achten Monat dieses Jahres, daß jetzt im freien Land in fünf Provinzen gleichzeitig gegen den Feind gekämpft wurde, und dies war das erste Mal, daß sie von Lao San hörten. Die Nachricht erfuhren sie von einem Wanderprediger, der erzählte, daß alle jungen und kräftigen Männer für diesen neuen Krieg aufgeboten würden. Dann zog er aus seinem grauen Talar ein Stück Papier, in dem ein Büschel schwarzer Haare lag. Er sagte: »Das hat mir der größte junge Mann gegeben, den ich jemals gesehen habe. Er trug mir auf, einen Umweg zu machen und an diesem Hause vorbeizugehen. Ihr
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