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Butterbrot

Butterbrot

Titel: Butterbrot
Autoren: Gabriel Barylli
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Strickwollkleid, das ganz weich und fließend um ihren Körper herumgegossen war. Hochgeschlossen, mit kleinem runden Halsausschnitt und Ärmeln, die bis zum halben Unterarm reichten.
    Es war diese Wolle - ich weiß nicht, wie sie heißt - von der so zarte, kleine Härchen wegstehen. Ganz kurz und zart und weich. Und wenn man die Hand auf den Rücken legt, spürt man die Wärme des anderen Körpers. Fast ist es so, als würde dieses Kleid die Wärme nicht nur weiterleiten, sondern sogar verdoppeln. Die Haut wärmt das Kleid, das Kleid den Körper, und so weiter und so fort, bis sich eine Wolke der Wärme und der Glut einstellt, die einem fast den Atem nimmt.
    Ich habe mit ihr getanzt, bevor wir unser erstes Gespräch begonnen haben.
    Ich bin ihr einfach nachgegangen und habe gefragt:
    »Wollen wir tanzen?« -
    Und sie hat gesagt: »Warum nicht?«
    Gott sei Dank lief ein langsames Lied - ein alter, italienischer Schlager mit dem Titel »Genova per noi« - unsagbar - aber zum Tanzen wie geschaffen.
    Wir haben getanzt, als hätten wir nur darauf gewartet, nein, nein, nein - es war nichts »Explosives« oder Tierhaftes - oder »aufgewühltes Verlangen«.
    Es war - selbstverständlich.
    Ja, das ist das Wort - es war selbstverständlich, daß wir zu dieser Party gekommen waren, selbstverständlich, daß ich sie gefragt hatte, und selbstverständlich, daß wir jetzt tanzten, wie wir tanzten.
    Punkt - Schluß - Anfang.
    Nicht mehr und nicht weniger.
    Sie hatte eine weiche Art, sich in meinen Arm zu lehnen und ihre Hand auf meine Schultern zu legen, die mich fast ohnmächtig machte.
    Ich hatte nach einer Weile das Gefühl, als würde meine Hand durch die Wärme ihres Kleides, durch die Wärme ihrer Haut in die Wärme ihres Körpers eintau-chen und so warm und selbstverständlich dort bleiben, wie unsere Art zu tanzen selbstverständlich war. Manchmal lächelte sie, als hätte ich etwas zu ihr gesagt, dabei redeten wir kein einziges Wort, solange diese Musik spielte.
    Sie spielte sehr lange!
    Ich glaube, diese Nummer dauert ungefähr dreihundertsiebenundvierzig Jahre und fünf Minuten.
    Zimt, Orchideen, Vanille und warmer Pfeffer.
    Das war die Summe des Duftes, der um sie herumlag wie ein warmer Sommerwind - und ihre Augen waren braun.
    Irgendwann haben wir beschlossen, diese Party zu verlassen, und sind gegangen. Ich habe die Kassette mitgenommen und bin mit ihr in einen Park gefahren
    - habe sie eingelegt, die Türen aufgemacht, und wir haben ununterbrochen zu dieser Musik weitergetanzt, so, als gäbe es nichts anderes zu tun, als zu dieser Musik zu tanzen,
    »Genova per noi«
    Was für eine Nacht -der Fehler war der Park.
    Ich bin nämlich nicht gleich nach unserem ersten Tanz mit ihr da hingefahren - nein, nein - ich war fast klug
    - nach unserer ersten tanzenden Berührung.
    Als die Nummer vorbei war, sind wir noch einige Sekunden gestanden, bevor wir uns wieder losgelassen haben.
    Ich habe gewartet, bis sie ihre Augen wieder öffnet, und sie hat gewartet, bis ich wieder in die Welt schauen konnte. Dann habe ich »danke« gesagt und mich zart verabschiedet.
    Ich habe mich zart verabschiedet.
    Nun - das heißt - ich habe sie angelächelt, weil sie mich angelächelt hat. Und dann bin ich wieder zu meinem Platz gegangen, von dem ich ausgezogen war, um mit ihr zu tanzen. Eines war ganz deutlich in ihren Augen zu lesen - sie war überrascht und froh, daß ich sie nicht sofort zur Seite zog und ihr meine Sozialversicherungsnummer aufschrieb - und mein Monatseinkommen und meine Sechszimmerwohnung und meine Lebensversicherungen und mein Angebot, mit ihr auf einen Urlaub nach Barcelona zu fliegen - gleich morgen am besten - was heißt morgen -jetzt - hier - heute - sofort - gleich - ohne Umschweife -
    Sie war froh, daß ich uns ausklingen ließ - zur Ruhe kommen nach dieser Expedition in unbekanntes Land, dachte ich.
    Dann bin ich dagesessen und habe getrunken, etwas Whisky mit etwas Grand Marnier und etwas Eis und mit etwas Soda und mit einer guten Zigarette und mit etwas Wut im Bauch, weil sie nicht allein dasaß und an mich dachte.
    Sie tanzte.
    Irgendwie wollte ich es nicht glauben und habe einen zweiten Whisky mit etwas Hiervon und etwas Davon getrunken - und habe zugesehen.
    Ich meine, es war nicht mehr »Genova per noi« - aber die Nummern, die danach kamen, waren auch nicht schlecht.
    Ich konnte Zusehen, wie die Musik in sie hineinfloß, wie der Wind in Birken hineinfließt und sie zum Schwingen bringt - und dieses
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