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Barcelona. Eine Stadt in Biographien: MERIAN porträts (MERIAN Digitale Medien) (German Edition)

Barcelona. Eine Stadt in Biographien: MERIAN porträts (MERIAN Digitale Medien) (German Edition)

Titel: Barcelona. Eine Stadt in Biographien: MERIAN porträts (MERIAN Digitale Medien) (German Edition)
Autoren: Wolfhart Berg
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Hamburg. Über diese neun Quadratkilometer große Fläche legt Cerdà ein Gitternetz mit schachbrettartiger Blockbildung. Eine Bauklötzchen-Planung mit 550 quadratischen Gebäudeblocks. Jeder einzelne misst exakt 113 , 33  Meter auf allen vier Seiten und eckt nicht im 90 -Grad-Winkel ab, sondern wird auf einer Seite von acht bis zehn Metern um 45  Grad abgeflacht. Solche schrägen Straßenecken heißen auf katalanisch »xamfràns« (ausgesprochen »schamfranz«) und bieten bis heute viel Platz für Fußgänger und eine bessere Sicht für abbiegende Autofahrer. Nur eine einzige diagonale Straße durchbricht von Ost nach West das riesige Planquadrat: Die
Avinguda Diagonal
( ▶ A 3 –H 1 ) ist bis heute die Hauptverkehrsader in beide Richtungen.
    Nach dem revolutionären Plan Cerdàs sollte jeder Block im
Eixample
-Viertel nur vier Etagen hoch sein und jeweils einen grünen Innenhof haben. Bäcker, Schuster, Tischler, Krämer und Kerzenmacher sollten dicht verteilt ihre Geschäfte im Parterre führen. Wie ein Magnet lockt die neue Stadt ab 1865 viele Neureiche an. Sie treiben die Preise und somit auch die Etagen-Anzahl in der Bebauung in die Höhe. Wer Eduardo Mendozas preisgekrönten Roman »Die Stadt der Wunder« gelesen hat, kennt den gierigen Spekulanten Onofre Bouvila zur Zeit der ersten Weltausstellung in Barcelona und kann nachvollziehen, warum die
Eixample
, sowohl das Esquerra wie das Dreta, also links und rechts des
Passeig de Gràcia
, eher den Begüterten teilweise spektakulären Wohnraum bietet.
    DIE EIXAMPLE WIRD EIN VIERTEL DER REICHEN
    Gegen Ende des 19 . Jh. haben die großen Kaufmannsfamilien wie Eusebi Güell nun endlich ihre Jugendstilpaläste, mit denen sie ihren meist in Spaniens Kolonien erworbenen Reichtum zur Schau stellen können. Am höfischen Zeremoniell des spanischen Königshauses in Madrid sind die katalanischen Großbürger ja nicht sehr willkommen. Also schaffen sie sich im
Eixample
ihre eigenen Schlösser und Prachtboulevards. Die Modernisme-Glanzstücke am
Passeig de Gràcia
und zur
Rambla de Catalunya
31 ( ▶ E 4 ) hin haben große Fenster, Veranden aus Glas und Balkone. Von den
Casas Amatller
7 ( ▶ E 3 ) , Milà, Batlló oder Morera zeigt man sich oder schaut von oben herab zu, wie unten die Bourgeoisie flaniert. Wer hier nicht dabei ist, dessen Kurse stürzen an der Börse von Barcelona ab, heißt es. Diese rücksichtslose Zweckentfremdung durch die Oberschicht bekommt der große Stadtplaner glücklicherweise nicht mehr mit. Als der Visionär Ildefons Cerdà am 21 . August 1876 krank und völlig verarmt – weil er, so ein Chronist »niemals ein Honorar für seine Pläne zur Stadtneugliederung bekommen hatte« – in einem Sanatorium an der kantabrischen Atlantikküste auf dem Totenbett liegt, da stirbt auch sein Traum der grünen, sozial gerechten »Stadt der Zukunft«.
    DIE EIXAMPLE – EIN TOURISTENMAGNET
    Der Spanische Bürgerkrieg ( 1936 – 1939 ) zerstörte so gut wie gar nichts in den Barris der
Eixample
. Doch bis zum Tod des Diktators Franco 1975 hatte Barcelona auch kein Geld, um die Paläste, Straßen und Patios des einst mondänen Stadtviertels zu pflegen. Madrid presste die katalanische Hauptstadt wie einst zu Königszeiten steuerlich aus. Mietpreisbindungen taten ihr Übriges: Häuser verfielen, kostbare Jugendstilfassaden zerbröselten, viele Wohnungen wurden Büros. Barcelonas Bürger entdeckten die einstigen Dörfer Gràcia, Sarrià, Pedralbes und Horta nordwestlich der
Eixample
mit moderneren Hochhäusern als ruhigere Wohnviertel. Erst in Vorbereitung zu den Olympischen Sommerspielen 1992 verschönert die Stadt nicht nur die Hafengegend und das Barceloneta-Viertel, sondern auch die
Eixample
.
    In 40  Patios hat man wieder Gärten angelegt, die Fassaden der Modernisme-Paläste restauriert. Rund 400 000  Menschen wohnen heute hier. Die Straßen sind voller Geschäfte, guter Restaurants und Tagesbars, das Viertel wird täglich von Tausenden von Touristen sowie Kunst- und Architekturstudenten fotografisch durchforstet. Wer im Sommer zu später Stunde in den Cafés unter den Linden der
Rambla de Catalunya
31 ( ▶ E 4 ) sitzt, kann den Catwalk der schönsten Transvestiten in Frauenkleidern bewundern.
    Und das Prachtstück der
Eixample
, der
Passeig de Gràcia
, zeigt seine beiden Gesichter: einerseits eine elegante Flaniermeile, andererseits eine beeindruckende, aber kalte Show-Avenue, die sich immer weniger Anwohner leisten können. Im Gegensatz zu den
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