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Barcelona. Eine Stadt in Biographien: MERIAN porträts (MERIAN Digitale Medien) (German Edition)

Barcelona. Eine Stadt in Biographien: MERIAN porträts (MERIAN Digitale Medien) (German Edition)

Titel: Barcelona. Eine Stadt in Biographien: MERIAN porträts (MERIAN Digitale Medien) (German Edition)
Autoren: Wolfhart Berg
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6 ) und tödliche Attentate bei Fronleichnamsprozessionen bringen die beiden Humanisten Güell und Gaudí auf die Idee einer Mustersiedlung für Arbeiter. Neben den Fabrikgebäuden am Ufer des Llobregat beim Dorf Santa Coloma de Cervelló, zehn Kilometer westlich von Barcelona, entsteht die
Colònia Güell
, mit Wohnhäusern für über 1000  Menschen, Kindergarten, Schule, Bibliothek, Krankenhaus und siedlungseigener Kirche.
    Die niedrigen Mieten werden vom Lohn abgezogen, im Genossenschaftsladen kauft man mit Gutscheinen ein. Inmitten des Proletarier-Dorfes steht eine unvollendete Kirche mit der weltberühmten, UNESCO -geschützten Krypta. Ein skurriles Gebilde mit schrägen Säulenformen, Kettenbögen und symbolischer Christenornamentik. Die Colònia Güell funktioniert bis zur Textilkrise 1973 , heute ist es ein Museumsdorf.
    Der Visionär Eusebi Güell vergisst bei aller Kunstbeflissenheit aber nicht das Geldverdienen und betätigt sich um 1900 als Immobilienhai, kauft ein 15  Hektar großes Areal nördlich der Stadtteile Eixample und Gràcia und plant 60  Luxusvillen in einer Parklandschaft. Auch hier darf Gaudí seiner reichen Fantasie freien Lauf lassen. Vom schmiedeeisernen Portal an der
Carrer d’Olot
führt eine mosaikbesetzte kurvige Treppe an glucksenden Riesensalamandern und Wasserspielen vorbei zu einem Drachen-Pavillon mit einer Terrasse voller dorischer Säulen. Große, krummlinige Sitzbänke mit Mosaiken aus bunten Glasscherben und Bruchkeramik, im Volksmund »schönster Scherbenhaufen« genannt, gigantische Grotten und symbolträchtige Drachenskulpturen beleben die Parklandschaft.
    Doch die Parzellen sind zu teuer, die Auflagen des Bauherrn Güell zu stringent. Nur zwei Häuser werden verkauft, Güell hat sich verzockt. Ein Glück, denn so kann die Stadt den Park 1922 kaufen und öffnet ihn als
Parc Güell
der Bevölkerung. Hier finden seitdem sagenhafte Popkonzerte und Dichterlesungen in den Pavillons statt. An schönen Wochenenden flanieren Tausende durch den Märchenpark, und manch einer gedenkt des Stifters Eusebi Güell und seines genialen Baumeisters Antoni Gaudí. Zwei Männer, die Fantasie und Glauben geeint haben.

ANTONI GAUDÍ I CORNET
    1852 – 1926
    Er baute seine Träume und ließ seine überbordende Fantasie in Stein erstarren. So schuf der genialste Architekt der Welt bizarre Parks, Häuser und eine Kirche, die einem Tempel von Außerirdischen gleicht.
    S eine Kleidung ist stets spartanisch und etwas kauzig. Ein seltsamer Mann geht da im abgetragenen schwarzen Anzug und weißen Hemd nach der Morgenmesse die Ramblas hinauf durchs
Eixample
bis ins Poblet-Viertel. Manchmal, wenn ihn das Rheuma zu sehr plagt, reitet er die Strecke auf einem Esel.Viele halten ihn für einen ausgehungerten Bettler, er trägt Filzpantoffeln mit Gummisohlen. Der Weißbärtige wirkt abwesend, Freunde erleben ihn auch schon mal depressiv. Ab 1909 zieht es ihn fast täglich zu seiner Baustelle, zur größten der wirtschaftlich blühenden, sich gerade modernisierenden Mittelmeer-Metropole Barcelona.
    Um Zeit zu sparen, lässt er sich im Sommer 1914 gleich neben den Holzgerüsten und Seilwinden eine provisorische Schlafstätte mauern. Eine Baubude, zu kalt im Winter, angenehm kühl im Sommer. Aber so ist der exzentrische Architekt und ewige Junggeselle seiner 1893 begonnenen, unendlichen Baugeschichte noch näher. So kann er seinen christlichen Gönnern und neureichen Sponsoren jederzeit die Arbeiten vor Ort zeigen. Die Rede ist von Barcelonas eigenwilligstem Genie und seiner »Predigt aus Stein«: von Antoni Gaudí und seinem Sühnetempel zur »Heiligen Familie«, der
Sagrada Família
38 ( ▶ G 1 ) . Ein Kirchenbau, der ihn bis zu seinem Tod 1926 als religiöse Obsession verfolgen wird.
    Seine Kindheit im ländlichen Raum rund 100  Kilometer südlich von Barcelona ist unbeschwert. Gaudí wird am 25 . Juni 1852 in eine Handwerksfamilie hineingeboren. Der Vater arbeitet als Kupferschmied, der Großvater als Töpfer und Kesselschmied. Zu Hause habe er das Gefühl für Raum und Form gewonnen, sagt Gaudí später. Schon früh wird der kränkelnde junge Mann zum Naturfreund, später auf ärztlichen Rat hin sogar Mitglied eines Wandervereins. Tiere, Bäume und Pflanzen finden wir in all seinen Arbeiten wieder.
    Mit 20 beginnt Gaudí sein Architekturstudium in Barcelona. Bei der Abschlussfeier am 15 . März 1878 überreicht ihm Professor
Elies Rogent
die Urkunde mit den Worten: »Wer weiß, ob wir den Titel
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