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Sommerhitze

Sommerhitze

Titel: Sommerhitze
Autoren: Natalie Rabengut
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Eins: Hitzewelle

    Die Fahrbahnmarkierungen auf dem ausgeblichenen Asphalt wabern unter der Hitze, die dem gesamten Land den Atem nimmt. Die Straße liegt dünn an der Küstenlinie, während sich auf dem Atlantik vor Portos Stränden nur vereinzelte, kleine Wellen bewegen. Außer vereinzeltem Möwengeschrei und leisem Zirpen von Heuschrecken herrscht drückende Stille. Das Land ist gelähmt von Trägheit.
    Nach einigen Stunden ist in der Ferne ein Knattern zu hören, das wirkt wie eine willkommene Abwechslung – allerdings werden nur die Insekten in den vertrockneten Gebüschen am Wegesrand Zeuge dieses Geräuschs, sonst ist der staubige Kies neben den Straßen verlassen. Der hellblaue VW Bully, der sich nähert, sieht weitaus jünger aus, als er ist. Der Motor ist puckert hörbar, aber läuft ruhig. In gemäßigtem Tempo zieht der Wagen an der Landschaft vorbei, alle Fenster sind komplett heruntergelassen.  
    Im Inneren des Bullys befinden sich vier Menschen – jünger als das hellblaue Auto, aber nicht zu jung; 30 auf jeden Fall, vielleicht 35. Drei von ihnen tragen Sonnenbrillen; nur der junge, braunblonde Mann mit den halblangen Haaren auf der Lederbank hinter Fahrer- und Beifahrersitz blinzelt direkt in die Sonne. Wie auch beim zweiten Mann in der kleinen Gruppe ist sein Oberkörper nackt und seine Beine stecken in Shorts, während die beiden Frauen mit Bikinis bekleidet sind. Alle vier sind leicht gebräunt und riechen nach Sonnenmilch, kommen aber definitiv nicht von hier. Ihre Haare flattern im kräftigen Fahrtwind.
    Die dunkelhaarige Frau mit den vollen Lippen und dem akkuraten Pony – ihre Nase ist genau wie ihr Kinn ein wenig zu stark ausgeprägt, trotzdem ist sie ausgesprochen attraktiv – wischt sich mit dem Handrücken den leichten Schweißfilm von der Stirn. Ihre Augen sind hinter der großen Sonnenbrille geschlossen und ohne einen ihrer Mitreisenden anzusehen, sagt sie: „Ich kann immer noch nicht glauben, dass wir das endlich gemacht haben.“
    Die Blondine mit den leicht gewellten Haaren, die den Bully fährt, weiß sofort, dass der Satz an sie gerichtet ist. Ihre geschwungenen, rosenfarbenen Lippen schürzen sich leicht, bevor sie sich an den Mundwinkeln zu einem fast nicht erkennbaren Lächeln heben. „Ich auch nicht, Lara. Aber wir mussten dich und Malte ja fast von der Arbeit losreißen, sonst hätte das vielleicht nie geklappt.“ Sie hat einen charmanten Akzent, der sich bei näherem Hinhören als britisch herausstellt.
    Ihr Begleiter auf dem Beifahrersitz lächelt nun auch und streicht sich durch seine   schwarzen, leicht strohigen Haare, die durch die Sonne einen braunen Stich bekommen haben. Dann legt er seine Hand auf den nackten Oberschenkel der Frau neben ihm und sagt ebenfalls mit einem britischen Akzent: „Sei nicht so streng zu den beiden, Eve. Immerhin sind wir auch nicht unbedingt besser.“ Er dreht sich nach hinten um und spricht den braunblonden Mann ohne Sonnenbrille an, der offenbar Malte heißt. „Wie sagt man noch gleich? Wer im Haus aus Glas steht-“
    Malte muss lachen. „Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen“, antwortet er. Er klingt angenehm tief und rau, beim Lachen bilden sich kleine Fältchen um seine Augen und heben sofort die dezente Härte seiner Stimme auf. „Wir können gern Englisch sprechen, wenn euch Deutsch schwer fallen sollte.“
    Bevor der Brite etwas erwidern kann, winkt die Blondine auf dem Fahrersitz ab. „Wenn Connor und ich nie Deutsch sprechen, werden wir es nie so können, wie wir uns das vorstellen. Ist also absolut in Ordnung.“
    Verschmitzt lächelt nun auch Lara. „Zieht es euch etwa doch nach Deutschland?“
    Connor zuckt mit den Schultern. „Mag sein, vielleicht. Ganz sicher sind wir uns da noch nicht.“ Er deutet auf die Fahrerin. „Eve schiebt die Entscheidung immer wieder auf.“
    „Ja, das tue ich“, wirft Eve sanft ein. „Und das mache ich auch jetzt. Erst will ich in Ruhe Portugal erkunden und nicht über mein schnödes Leben nachdenken müssen. Dafür haben wir alle später noch genug Zeit.“
    Lara greift nach vorn und drückt mit einer Hand Eves Schulter. „Das stimmt natürlich. Trotzdem würde ich gern anmerken, dass Malte und ich uns sehr freuen würden, falls ihr umziehen solltet. Vielleicht sehen wir uns dann ja endlich öfter als einmal im Jahr.“
    Anstatt zu antworten, greift Eve nach hinten, legt ihre Hand auf die von Lara, tätschelt sie und lässt entspannt ihren Hinterkopf gegen
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