Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Barcelona. Eine Stadt in Biographien: MERIAN porträts (MERIAN Digitale Medien) (German Edition)

Barcelona. Eine Stadt in Biographien: MERIAN porträts (MERIAN Digitale Medien) (German Edition)

Titel: Barcelona. Eine Stadt in Biographien: MERIAN porträts (MERIAN Digitale Medien) (German Edition)
Autoren: Wolfhart Berg
Vom Netzwerk:
einem Verrückten oder einem Genie geben. Die Zeit wird es uns sagen.«
    Gleich bei seinem ersten Auftrag für zwei schmiedeiserne Gaslaternen auf der
Plaça Reial
( ▶ G 6 ) tobt er sich in fantasievollen Formen aus dem Tier- und Pflanzenreich aus. Es folgen kleinere Jobs für Statuen und Portale. Der technische Tüftler und kühle Rechner in ihm kann sich dann beim ersten Palastbau 1883 in der
Carrer de les Carolines no 24
( ▶ C 1 ) im Stadtviertel Gràcia bewähren: Sein Bauherr ist
Manuel Vicens
, ein reicher Fliesenfabrikant. Gaudí nutzt Restbestände der Keramikproduktion und entwickelt eine bunte Schicht aus glasierten Fliesen. Damit schmückt er die
Casa Vicens
auf drei Seiten mit blutroten, türkisblauen und blattgrünen maurisch-orientalischen Mustern. Außerdem produziert er seinem Bauherrn eine riesige Werbefläche, die so außergewöhnlich wirkt, wie es kein Plakat könnte. Die günstige Kosten-Nutzen-Rechnung verbunden mit Gaudís ausschweifender Kreativität des »Modernisme«, der katalanischen Jugendstilvariante, spricht sich unter den neureichen Kaufleuten herum. Die Großbürger Barcelonas suchen in dem noblen neuen
Eixample
-Viertel des Stadtplaners
Ildefons Cerdà
nach öffentlicher Selbstinszenierung durch Prachtbauten. Antoni Gaudí kann sich vor Aufträgen nicht mehr retten und wird selbst zum Großunternehmer.
    Für seinen lebenslangen Förderer Eusebi Güell baut er 1885 den
Palau Güell
28 ( ▶ G 6 ) , gleich am Anfang der Carrer Nou de la Rambla Ecke Rambla dels Caputxins. Hier wie auch in den Pavillons de la Finca Güell, Avinguda de Pedralbes, setzt Gaudí alle geometrischen Gesetze außer Kraft und schwelgt in schmiedeeisernen Drachentoren, parabolischen Fensterbögen, Säulenlabyrinthen und einer dreistöckigen mosaikreichen Kuppelhalle.
    Doch den skurrilsten Einfall hat Gaudí um 1900 beim Bau des
Parc Güell
auf einem 15  Hektar großen, damals noch rundherum unbewohnten Gelände an der Carrer d’Olot. Hier speien überlebensgroße Echsen Wasser aus bunten Fliesen, laden mosaikverzierte Schlangen zum Sitzen ein und imponieren Pavillons im dorischen Stil. Es ist eine Art Disneyland des Jugendstils, heute Weltkulturerbe und beliebtes Wochenendziel der Barceloner.
    Gaudí erweist sich auch in Konkurrenz zu den beiden anderen Stars der Jugendstilarchitektur seiner Zeit, Josep Puig i Cadafalch und Lluís Domènech i Montaner, als wahrer Meister allegorischer Formen. Er baut dem Textilindustriellen
Josep Batlló
1904 einen Palast wie aus 1001  Nacht, mit einer märchenhaft gestalteten Fassade wie ein Höhle, in der der Drachentöter Sant Jordi, der Schutzheilige Barcelonas, lebt. Die
Casa Batlló
8 ( ▶ E 3 ) konkurriert auf dem heute mit Nobelboutiquen gepflasterten
Passeig de Gràcia
( ▶ E 3 ) mit Hausnummer 43 in direkter Nachbarschaft mit den skurrilen Stadtpalästen der
Casa Amatller
7 ( ▶ E 3 ) (Nr.  41 , von Cadafalch) und der
Casa Morera
(Nr.  35 , von Montaner). Diese fantastischen Drei werden auch »La Mançana de la Discordia«, der »Block der Zwietracht«, genannt. Dabei ist jedes Objekt ein wundervolles Beispiel für den Modernisme.
    CASA MILÀ – EIN FANTASTISCHER STEINBRUCH
    Diese fantastischen Drei werden nur noch übertroffen vom »Steinbruch«, der »Pedrera«, wie die
Casa Milà
im Volksmund heißt. Sie steht drei Blöcke weiter oben auf der anderen Seite des
Passeig de Gràcia no 92
und gilt bis heute als weltweit fantasievollstes Wohngebäude und ist – naturalmente – von Gaudí. Die felsähnliche Silhouette mit den gewellten, unregelmäßig zueinander verschlungenen Balkonen und korallenförmigen Eisenverzierungen erinnert an Tropfsteinhöhlen und wilde Klippenküsten.
    Die unzähligen, mit farbigen Tonscherben dekorierten Türmchen ganz oben auf der
Casa Milà
9 ( ▶ E 2 ) ähneln unserer deutschen Schornsteinarchitektur etwa so wie ein Flamencotänzer einem Schuhplattler. Die gewaltige Kaminlandschaft sieht so sanft geschwungen und schnecken-kreiselförmig aus wie manche Sandburg aus Kinderhand. Gaudí verwirklicht sich hier anno 1906 auch als Visionär: Er lässt eine Tiefgarage bauen und deswegen noch eine Säule entfernen, damit der Rolls-Royce des Bauherrn bequem zu bewegen ist. Eine spiralförmige, breite Rampenauffahrt ermöglicht in den ersten drei Etagen das direkte Parken vor der Wohnungstür.
    Der Steinbruch ist der originellste, aber auch letzte Prachtbau Gaudís, bevor er sich nur noch seiner
Sagrada Família
38 ( ▶ G 1 )
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher