Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Moonshadow - Das Schwert des grauen Lichts

Titel: Moonshadow - Das Schwert des grauen Lichts
Autoren: Simon Higgins
Vom Netzwerk:
EINS
    DIE ERMORDUNG VON NO-NAME
    Es waren nur noch zwei Stunden bis zum Morgen, und der Mond war endlich untergegangen.
    Am Ende des dunklen Korridors sank Nanashi auf ein Knie. Er rückte das Schwert auf seinem Rücken zurecht, dabei wandte er den Kopf nach links und rechts und kontrollierte seinen Atem. Er machte sich lang, dabei horchte er aufmerksam. In der kühlen Nacht waren sämtliche Grillen verstummt. Weit und breit war kein Geräusch zu hören.
    Auch die große Villa lag in völliger Ruhe da, und er wagte es nicht, die Stille zu durchbrechen, bevor er sein Ziel nicht erreicht hatte. Eine kühle Brise strich über den Schweiß auf seiner Stirn und berührte sanft die tiefen Höhlen um seine Augen. Gleichzeitig drang der Geruch abgestandener Bohnensuppe aus der Küche an seine Nase.
    Er schob sich geräuschlos auf die beiden Schiebetüren zu. Nanashi zog ei nen kleinen Bambusmessbecher aus einer Geheimtasche seiner schwarzen Jacke. Er lockerte den Korkverschluss des Röhrchens, dann bückte er sich zu der Bodenschiene, in der die Schiebetüren befestigt waren. Vorsichtig goss
Nanashi Wasser in die Laufschiene. Während sich die Flüssigkeit ausbreitete, zählte er leise bis fünf.
    Probeweise bewegte er die nähere der beiden Türen eine Handbreit. Sie glitt nur noch mit ei nem leisen Flüstern. Das Wasser verhinderte, dass der Wandschirm knirschend in der Schiene lief, genau wie er es erhofft hatte. Die Zeit war gekommen. Über ein mögliches Scheitern wollte er erst gar nicht nachdenken. Um seine Klarheit, seine Kraft zu bewahren, würde er versuchen, überhaupt nicht zu den ken. Er presste seine Kiefer aufeinander und zog noch einmal die schwarze Kopfbedeckung straff, die sein mit Schmutz beschmiertes Gesicht verbarg. Sollte er sich sei nen Weg nach draußen freikämpfen müssen, würden die Wächter nur seine Augen beschreiben können. Wenn er sie am Leben ließ.
    Nanashi seufzte. Bei dieser Mission waren seine Befehle eindeutig . Erobere die Papiere zurück. Töte nicht. Ohne Zweifel hatte Mantis seine Hand im Spiel, als es um die Aufgabenstellung ging. Der und seine Ansichten! Eines Tages würde er sie noch alle umbringen mit diesem Mist. Nanashi stellte sich Mantis’ hageres Gesicht vor, seine tief liegenden Augen, die sich schneller veränderten als Sturmwolken an einem Sommerhimmel: In einem Moment waren sie hart, wild, entschlossen, im nächsten glühten sie voller Stolz, der fast in Zärtlichkeit überging. Und in fast jedem seiner Blicke lag ein Hauch von Sorge, die seinen starken Glauben antrieb. Der Junge ließ für einen Augenblick den Kopf hängen. Dieser Glaube, der alles doppelt so schwer machte.

    Nanashi beruhigte seine Gedanken wieder und sog die eiskalte Luft der Stunde vor der Morgendämmerung ein. Obwohl sie von Stoff verhüllt waren, weiteten sich seine Nasenlöcher plötzlich.
    In einem nahe gelegenen Raum, kaum zwei Wände entfernt, schwitzte jemand stark. Der Geruch kam entweder von einem alten Mann mit einer schlimmen Erkältung oder einem jungen, sehr starken Mann, der unter Spannung stand. Für Hunde, Wölfe und Füchse verströmten beide den gleichen Geruch. Und für Nanashi.
    Nicht das Training hatte ihm diesen geschärften Sinn verschafft. Es war das, was Groundspider »Rückstände« nannte. Diese besonderen Fähigkeiten dauerten manchmal nach Nanashis Sichtverschmelzungen an, wenn er seine Gedanken ganz auf ein Tier oder ei nen Vogel in der Nähe kon zentriert und durch seine Augen gesehen hatte. Meistens verblassten diese Fähigkeiten schnell wieder, und er wusste, dass die, die ihm blieben, jederzeit wieder verschwinden konnten.
    Behutsam öffnete er die beiden Schiebetüren. Mit Hilfe seiner Nachtsicht, zu der ihm eine spezielle Diät verholfen hatte, suchten Nanashis Blicke den unmöblierten Raum vor sich ab.
    Er war rechteckig. Glatte Seitenwände. Tatami-Böden … al les Schilfmatten. Nur eine ein zelne papierbedeckte Schiebetür unterbrach die gegenüberliegende Wand. Immer noch kein Zeichen von Wachen, aber der Geruch nach Schweiß war jetzt stärker. Er kam von jenseits dieser Tür.

    Er nahm den Raum vor sich genau unter die Lupe. Merkwürdige kleine Schatten.
    Der Boden war be deckt mit ak ku raten, eben mä ßigen Reihen von eisernen Tetsubishi: scharfe, dreizinkige Fußhaken, Krähenfüße, deren Enden sicher mit Gift getränkt waren.
    Sie waren strohfarben angemalt, damit sie sich von den Tatami-Matten nicht abhoben. Nanashi ließ den weichen Schulterbeutel,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher