Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Barcelona. Eine Stadt in Biographien: MERIAN porträts (MERIAN Digitale Medien) (German Edition)

Barcelona. Eine Stadt in Biographien: MERIAN porträts (MERIAN Digitale Medien) (German Edition)

Titel: Barcelona. Eine Stadt in Biographien: MERIAN porträts (MERIAN Digitale Medien) (German Edition)
Autoren: Wolfhart Berg
Vom Netzwerk:
Siegel des Grafen von Barcelona. Über allem steht »Eixample«, was in der katalanischen Sprache so viel wie Ausdehnung, Ausbau, Erweiterung heißt. Als dieses Dokument in Stein realisiert wird, entsteht in der zweiten Hälfte des 19 . Jh. eine neue Stadt oberhalb der Altstadt, geplant für 800 000  Bewohner: die
Eixample
, immer noch der prachtvollste Stadtteil Barcelonas.
    Die zu der Zeit größte Baustelle Spaniens erlöst zwischen 1860 und 1900 das industriell boomende und übervölkerte Barcelona aus der Enge alter bourbonischer Stadtmauern und bietet dem Stadtplaner und Visionär Ildefons Cerdà die Plattform, der sozial und ökonomisch verunsicherten Gesellschaft eine lebenswertere Wohngegend, die
Eixample
, zu bauen. Doch der Optimismus des Menschenfreundes und Sozialisten Cerdà sowie seine großzügigen Baupläne werden durch Spekulanten und katalanische Politiker empfindlich gestört. Andererseits gestalten die besten Modernisme-Architekten wie Gaudí, Montaner und Cadafalch das neue Viertel mit ihren Jugendstilpalästen zu einem weltweit einmaligen Gesamtkunstwerk.
    Ildefons wird am 23 . Dezember 1815 im großbürgerlichen elterlichen Landhaus in Centelles bei Barcelona geboren. Sein Vater ist ein liberaler Katalane, der sein Geld im Im- und Export mit den spanischen Kolonien macht, ein sogenannter »Indiano« oder »Cubano« also. Mit 18 kommt Ildefons an die Universität von Barcelona und belegt Architektur, Mathematik und Schiffbau, im Nebenfach Philosophie und Zeichnen. Ein langes Studium generale, das er 1841 als Straßenbauingenieur beendet. Das Erbe seines 1844 verstorbenen Vaters ermöglicht ihm ein eigenes Architektur- und Ingenieurbüro.
    Cerdà kennt die Probleme Barcelonas um die Jahrhundertmitte ganz genau. Das Königshaus in Spaniens Hauptstadt Madrid will die katalanische Metropole klein halten. Die verhassten Stadtmauern – vom Meer aus rund um die Altstadt, nämlich Raval, Gòtic, Antic und Ribera links und rechts der Ramblas bis zur Plaça de Catalunya hinauf – zwängen über 200 000  Bürger in enge Gassen und unwirtliche Wohnungen. 350  Menschen pro halbem Hektar, doppelt so viel wie in Paris, nur fünf Quadratmeter Wohnfläche pro Kopf, rechnet Cerdà aus. Kanalisation und sanitäre Anlagen sind katastrophal; Cholera- und Typhusepidemien breiten sich aus. Andererseits benötigen die Werften und die Textilindustrie immer mehr Platz. Die Arbeiter werden gnadenlos ausgebeutet, es herrschen Armut und Hungersnot. In den Jahren 1854 bis 1856 eskaliert die Situation: Es kommt zu Demonstrationen und Straßenkämpfen, Granaten gegen Polizeigewalt, Schüssen gegen die Reichen. Das Großbürgertum bekommt es mit der Angst zu tun, Madrid lenkt ein, die Altstadtmauern werden geschliffen.
    Das ist die Stunde des Ildefons Cerdà. Er gewinnt gegen katalanische Konkurrenten die städtebauliche Ausschreibung. Er erstellt gesellschaftspolitische Statistiken über Familien mit oder ohne Kinder, über Arbeitslose, Einkommensstrukturen, soziale Bedürfnisse, durchschnittliche Lebenserwartungen sowie zu erwartende Zuwandererzahlen aus der Region und führt danach ab 1860 seinen »Plan Cerdà« aus.
    EIN MANN, EIN PLAN, EINE REVOLUTION
    Die
Eixample
soll keine arme und keine reiche Gegend werden, mit Gasversorgung und Kanalisation für alle, mit privaten Gärten in den Innenhöfen (»Patios«) sowie breiten Palmen- und Akazienalleen. Grundstückskäufer sollen sogar die anteiligen Quadratmeter an Grünflächen, breiten Straßen und Plaças bezahlen. Die Kaufleute halten allerdings 20  Meter breite Straßen zwischen den Blöcken für reine Verschwendung und der 50  Meter breite
Passeig de Gràcia
( ▶ E 3 ) mit ihren vier Baumreihen geradezu für eine Sünde. Im mit Bankiers, Kaufleuten und Immobilienhändlern besetzten Stadtrat wollen sie den Plan »dieses Kommunisten« wieder kippen. Doch Madrid stützt ihn.
    So zieht Cerdà seinen »Urbanismo«-Plan durch: Wo die alten Mauern standen, lässt er rund um die Altstadt breite Straßen ziehen, die heutigen Rondas. Nordwestlich davon in Richtung Tibidabo-Berg liegen nur ein Pferdewagenweg und eine Eisenbahnlinie entlang der heutigen
Rambla de Catalunya
31 ( ▶ E 4 ) . Die führt zu den Sommerresidenzen der Bourgeoisie in den Dörfern Sarriá, Sant Gervasi, Gràcia und Horta, heute allesamt bebaute Stadtteile. Dazwischen ist nur felsiges Brachland. Ein Gebiet, größer als Grünwald bei München, Charlottenburg in Berlin oder Harvestehude in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher