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Zwei Sommer

Zwei Sommer

Titel: Zwei Sommer
Autoren: Britta Keil
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Jule und Philipp an einem Tisch beim Eingang stehen. Ich zeige dem Türsteher brav meinen Ausweis und meinen Eintrittsstempel und gehe auf die beiden zu. Jule sieht mich kommen und lächelt. Ich bin gefasst auf eine Standpauke, weil ich vor ungefähr zwei Stunden einfach abgehauen bin.
    Je länger ich am Strand gesessen und meinen Gedanken nachgehangen hatte, umso übertriebener war mir meine Reaktion im El Beso erschienen. Schließlich tat es mir leid, dass ich Olli einfach so stehen gelassen hatte. Mit Tallyman’s Shake und Pete.
    Er konnte doch überhaupt nichts für meine Wut auf Vanessa und für einen notgeilen DJ.
    Ob er nach mir gesucht hatte? Mann, ich hatte mich echt benommen wie eine hysterische Ziege.
    »Da bist du ja endlich«, brüllt Jule mir ins Ohr.
    Ich nicke schuldbewusst.
    Jule betrachtet mich von oben bis unten und ihr Blick bleibt an den Turnschuhen an meinen Füßen hängen. Ich hatte sie mir noch schnell aus unserem Hotelzimmer geholt.
    »Hast du Hitze, oder was?«
    »Hab meine Flipflops am Strand verloren.«
    »Am Strand?«, brüllt sie mir wieder ins Ohr.
    Ich bin verwirrt. »Hat Olli dir nichts gesagt?«
    »Was?« Jetzt ist Jule verwirrt.
    »Ich war noch mal am Strand.«
    »Nee, hat er nicht. Aber selbst wenn er’s mir erzählt hätte, hätt ich’s wahrscheinlich nicht verstanden. Der war ja schon vor ’ner Stunde völlig hacke.«
    »Wo ist er denn?«
    »Versucht sich wahrscheinlich grad mit Alkohol umzubringen.« Jule lacht.
    Als sie sieht, dass ich nicht mitlache, bemüht sie sich kurz ernst zu sein und nickt in Richtung Bar. »Habt ihr euch gestritten, oder was?«
    Ich zucke mit den Schultern und schaue zur Bar. Aber über die Köpfe der vielen Leute hinweg kann ich Olli nicht sehen.
    Er hat niemandem was gesagt. Er hat sich überhaupt keine Sorgen um mich gemacht. Er hat sich kein bisschen gewundert, dass ich nicht wiederkomme. Er wäre ja nicht mal auf die Idee gekommen, mir nachzugehen.
    »Soll ich mitkommen?«, fragt Jule, die meinen Blicken gefolgt ist.
    Irritiert schüttle ich mit dem Kopf.
    Was denkt sie denn? Dass ich jetzt zum Tresen wackle und einem total besoffenen Olli stocknüchtern eine Szene mache? Und davon abgesehen: Hat sie sich irgendwann in den letzten 12 0 Minuten darum geschert, was mit mir ist?
    Ich brauche ihre große Klappe nicht! Und ich brauche erst recht keinen Olli mit Rumvergiftung. Aber ich brauche ganz dringend einen Platz, an dem ich wieder atmen kann.
    Ich muss ihn ja nicht abschicken. Ich kann ihn ja bloß schreiben. Und dann zerreißen. Oder aufheben. Oder beides.
    Du fehlst mir. Glaubst du mir das? Ich weiß, dass du mir nicht glaubst. Wie solltest du auch? Du musst mich ja hassen.
Ich fände es so schön, wenn du gerade neben mir liegen würdest. Ich schäme mich so für diesen Gedanken, weil ich ihn so wenig verdient habe.
    Ich schiebe Stift und Papier unter das Kopfkissen. Ich lösche das Licht. Ich höre das Brummen der Bässe aus dem El Beso . Keiner ist bei mir. Nicht mal Wiebke.
    Nein, ich versuche nicht daran zu denken, was Olli gerade macht.
    Ich starre aufs Wasser.
    Ich beobachte fünf schaukelnde bunte Gummifische und ihre Reiter bei einer Art Wasserschlacht. Ziel scheint zu sein, den jeweils anderen Reiter vom Rücken seines Fisches zu schubsen.
    Ich höre die drei Mädchen kreischen und die Jungs lachen, während sie eines der Mädchen ins Wasser zerren, das aber nur so tut, als würde es sich wehren. Das sehe ich von hier.
    Ich säße jetzt auch gern auf so einem Gummifisch und würde auch gern so tun, als ob ich mich wehre.
    Ich liege auf meinem Badetuch und werde Zeuge, wie neben mir ein öliger Typ seiner Freundin den Rücken eincremt. Meinen Rücken hat mir Wiebke eingecremt, weil ich sie darum gebeten habe, bevor ich aus dem Hotel geflüchtet bin.
    Ich muss wegschauen, damit ich nicht plötzlich anfange, mich in ein Gefühl von Verlassenheit hineinzusteigern.
    Vielleicht hätte ich ja doch diese Bootstour mitmachen sollen. An irgendeinen weniger überlaufenen Badestrand mit echten Fischen. An die »abgelegene romantische Bucht nahe Tossa mit türkisgrünem Wasser und weißem Sandstrand«.
    Aber die Vorstellung, mich mit Olli in einer abgelegenen romantischen Bucht mit echten Fischen anzuschweigen, erschien mir einfach unerträglich. Diese Art Schweigen hätte doch bloß unser stummes Frühstück übertroffen.
    Ich wusste noch gar nicht, dass Olli so kindisch sein kann. So stolz. So leicht durchschaubar in seinem Stolz.
    Bis heute
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