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Zwei Sommer

Zwei Sommer

Titel: Zwei Sommer
Autoren: Britta Keil
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…«
    Mein Lächeln verschmiert.
    Ich hoffe für einen winzigen Moment, dass ich mich vielleicht verhört habe. Aber da ist etwas in seinem Blick, das klebriger ist als das Pult, auf dem ich gerade mit viel zu nackten Armen lehne.
    »Ich geh.«
    »Hey, Prinzessin!« Olli versucht mich zu umarmen, aber ich will nicht umarmt werden. Nicht so. Nicht hier.
    »Kommst du mit?«, frage ich.
    »Wohin?«, fragt er verwirrt.
    »Zum Strand?«
    »Zum Strand?«, äfft Pete mich nach und verstellt seine Stimme, als hätte ich Olli mit dieser Frage gerade darum gebeten, der Vater meiner Kinder zu werden, weil er zur Feier des Tages mal im Sitzen gepinkelt hat.
    Pete ist gewiss nicht doof und gewiss kein Arschloch, aber er weiß es hin und wieder ganz gut zu verbergen. Isa ist gewiss keine Zicke, aber sie weiß es gerade sehr gut zu verbergen. »Halt’s Maul, Pete.«
    Pete zuckt theatralisch zusammen, kichert blöde und vertraut sich wieder der pinkfarbenen Flüssigkeit in seinem Glas an.
    »Prinzessin, was geht ab?«, fragt Olli und schiebt sich zum zweiten Mal den Strohhut aus dem Gesicht.
    »Ich hab schlechte Laune, okay?«
    »Aber ist doch grad so schön«, erwidert Olli mit Rumaugen und lässt das Giftgrün aus dem Strohhalm hinauf in seinen Mund steigen.
    Alles ein großer Spaß hier. Warum? Warum auch nicht?
    »Ich find’s aber gerade scheiße«, höre ich mich sagen und starre auf den Boden. Ich hebe den Blick und sehe, dass Olli und Pete sich in schulterzuckender Eintracht über mich wundern.
    Es ist nur ein Moment, aber er tut weh. Er verbündet sich mit Pete, nicht mit mir. In Sekundenschnelle entwickle ich Wut auf Piraten.
    Olli bemerkt, dass ich ihn und Pete beobachte. »Ich trink noch aus und dan n …«
    »Vergiss es.« Ich drehe mich um und gehe.
    Warum kann es nicht einfach mal schön sein?
    Rauschen.
    Warum ist er jetzt nicht bei mir?
    Rauschen.
    Warum könnte ich bei ihm sein und bin es trotzdem nicht?
    Rauschen.
    Das Meer hat auf alles eine Antwort, weil es nichts zu sagen hat.
    Ich bin traurig und weiß nicht warum. Mir ist kühl, aber ich tue nichts dagegen und ich weiß nicht warum. Ich kriege Ärger mit Markus, wenn ich nicht bis zwölf im Hotel bin, und es ist mir egal. Warum?
    Ich sitze auf den spitzen Klippen, eine Sandale ist mir beim Klettern ins Wasser gefallen und zappelt zwischen den Wellen. Ich kann sie nicht retten.
    Das Scheinwerferlicht, das die Festung über mir in dramatisches Licht taucht, färbt den Schaum der Wellen orange, die meinen Schuh verschlucken.
    Das Leben ist kein Ponyhof, sagt Pete, wenn er sich nicht traut, mal was Einfühlsames zu sagen.
    Das Leben ist ’ne alte Sau, sagt Marie, wenn sie todunglücklich ist.
    Ist schön mit dir, sagt Olli, wenn er es schön mit mir findet.
    Und ich, was sage ich?
    »Gesundes Neues, Süße.«
    Ich zog meinen Schal aus dem Gesicht und gab Marie einen Kuss auf die Wange. Dann überreichte ich ihr ein kleines Päckchen.
    Marie schaute mich mit großen Augen an und zog ihre Handschuhe aus, damit sie die Schleife öffnen konnte. Vorsichtig wickelte sie das Papier aus.
    »Isa! Du bist ja verrückt!« Strahlend hielt sie das Buch in Händen, das in braunes, grobes Leder gebunden und auf das mit buntem Faden ein Stern aus Leder genäht war. Sie blätterte die dicken leeren Seiten vor und zurück und hielt auf der ersten Seite inne, auf die ich in meiner allerschönsten Sonntagsschrift meine kleine Widmung geschrieben hatte. Sie beugte sich über die Teelichter, die wir auf dem Boden verteilt hatten und die der Wind ständig ausblies.
    Sie las laut vor. »Für meine allerbeste Freundin, für die schönen Gedanken und die schlimmen, für die nächsten Hundert Geschichten. Liest du sie mir irgendwann vor? Kuss, deine Isa.«
    Tante Doro, die die ganze Zeit schweigend dabeigestanden hatte, legte ihren Arm um mich. Marie sah von ihrem Geschenk auf und gab mir einen Kuss. »Danke.« Dann strich sie mit den Fingerspitzen über den Einband, schlug das Buch behutsam wieder ins Papier ein und steckte es in ihren Schlafsack.
    »Klar les ich dir vor«, sagte sie leise und legte ihren Kopf auf meine freie Schulter.
    So standen wir da, auf einem rostigen Turm an einem Meer, das diesem hier im Dunkeln zum Verwechseln ähnlich sieht – Doro, Marie und ich. Wir wärmten uns gegenseitig und schauten aufs schwarze Wasser, über das nur hin und wieder das bunte Licht einer einzelnen Rakete zuckte.
    Es ist nicht mal halb zwölf, als ich ins El Beso zurückkehre. Ich sehe
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