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Zwei Sommer

Zwei Sommer

Titel: Zwei Sommer
Autoren: Britta Keil
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Morgen wusste ich auch noch nicht, dass es verschiedene Stufen von Ignoranz gibt. Aber die gibt es wohl. Während ich nämlich mit niemandem geredet habe und mir meinen Frühstückstoast in vollkommener Autonomie schmierte (ich ging einmal um den Tisch, damit ich Jule nicht nach der Butter fragen musste), redete er mit allen anderen außer mit mir und fragte nach allem außer Sauerkirschmarmelade. Die stand nämlich direkt vor meiner Nase und war in diesem Augenblick genauso tabu wie ich.
    (Er liebt Sauerkirschmarmelade.)
    Zugegeben: Man sollte Dinge lieber bleiben lassen, die man nur tut, weil man wütend ist, aber zu feige, sich richtig zu streiten.
    Man sollte zum Beispiel nicht in den Supermarkt gehen, ein Glas Sauerkirschmarmelade kaufen und es neu beschriften.
    Man sollte es auch keinesfalls vor die Zimmertür seines Freundes stellen. Und man sollte erst recht nicht darauf hoffen, dass Gesten dieser Art ein vernünftiges Gespräch herbeiführen.
    »›Für die nächsten Toastscheiben ohne mich. Guten Appetit‹. Das ist schon ein bisschen psycho, oder?« Jule stellt das Marmeladenglas, das sie vor unserer Tür aufgelesen hat, auf den Tisch.
    Plemplem, fällt mir dazu ein. Wo plemplem anfängt, frage ich mich.
    Ich zucke mit den Schultern.
    »Isa, was ist denn mit dir los?«
    »Mit mir ist überhaupt nichts los.«
    »Olli war echt sauer.«
    »Soll er doch.« Ich denke an meinen Schuh und wie er ersoffen ist zwischen den Wellen. Ich denke an den kalten, stachligen Kies unter meinen Fußsohlen und an den glatten Asphalt danach. Ich denke an den Augenblick, in dem ich den zweiten, nutzlos gewordenen Schuh in einen übervollen Mülleimer steckte, wie man eine Waffel in einen Berg Sahne auf einem Becher Eiscreme steckt.
    Jule schnauft, schüttelt den Kopf und stapft ins Bad. Der Föhn geht an.
    »Also ich möchte dich mal sehen, wenn Philipp dich ’nen ganzen Tag lang ignoriert!«, brülle ich irgendwann und versuche das Heulen des Föhns zu übertönen.
    Statt mich für meine Marmeladenattacke zur Rede zu stellen, hatte mich Olli einfach links liegen lassen und das Glas wieder vor unsere Tür gestellt. Dieser Möchtegernpirat.
    Der Föhn geht aus und Jule kommt zurück ins Zimmer gestapft.
    »Ich mach Philipp ja auch keine Szene, nur weil er mal einen Abend betrunken ist.« Immerhin hat Jule sich ganze sechzig Sekunden Zeit genommen, um über meinen Satz nachzudenken.
    »Wahrscheinlich, weil du dann immer selber gerade betrunken bist.«
    Ich erschrecke über mich selbst.
    »Vergiss es einfach«, blafft Jule mich an und stellt ihren Föhn auf Turbogebläse.
    Ich bin doch selber schuld, dass ich jetzt wieder heulen muss.
    Ich werfe mich aufs Bett und stopfe mir meine Kopfhörer in die Ohren. Musik. Musik ist gut gegen alles.
    We made a start. Now we’re apart.
    Sandy weint um Danny.
    There’s nothig left for me.
    Sandy weint um Sandy.
    Somehow some way our two worlds will be one.
    Sandy weint um Danny und Sandy.

14
    »Mann, wie ich die Plörre vermissen werde.« Jule setzt die bauchige 1,5-Liter-Flasche an den Mund. Die Sangria schießt ihr links und rechts aus den Mundwinkeln und spritzt über ihr Kleid, als sie zu lachen beginnt. Prustend reicht sie die Flasche weiter an Philipp, der sie danach an Pete weitergibt. Dafür, dass heute unser letzter Abend ist, ist Pete erstaunlich zahm. Vielleicht hat das etwas mit Marta zu tun, der dunkelhaarigen, zwischen den Zeilen lesenden Spanierin, die uns und insbesondere Pete seit ein paar Tagen auf Schritt und Tritt verfolgt.
    Gut, dass Knutschen so eine internationale Angelegenheit ist! Ansonsten wäre Martas und Petes Kennenlernen womöglich in der I-am-Pete-and-I-come-from-Germany-Phase versackt. Zur rechten Zeit entpuppte Marta sich jedoch als Meisterin der Pantomime und Pete offenbarte sein tatsächlich vorhandenes zeichnerisches Talent. Immer, wenn ihm ein Wort auf Englisch nicht einfiel, kritzelte er es mit dem Edding, den er stets und ständig mit sich herumschleppte, auf Getränkekarten, Kassenbons oder irgendwelche Flyer. Es dauerte nicht lange, und er hatte immer einen Schreibblock dabei, wenn Marta in der Nähe war. Auch wenn seine T-Shirts sich nicht wirklich besserten, hatte die Aktion mit dem Edding in meinen Augen etwas total Romantisches.
    Marta schüttelt sich, nachdem sie einen Schluck getrunken hat. » Joder ! That’s everything but Sangria!«, flucht sie und streckt Olli angewidert die Flasche entgegen. Ich beobachte ihn aus dem Augenwinkel und will,
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