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Zwei Sommer

Zwei Sommer

Titel: Zwei Sommer
Autoren: Britta Keil
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dass alles gut wird.
    Ich kann zwar nicht behaupten, dass wir uns ausgesprochen hätten, aber die Wut aus jener Nacht im El Beso ist längst verraucht und irgendwann hörten wir wie von selbst auf, einander auszuweichen.
    Ich glaube, ab einem gewissen Punkt war die Sehnsucht nacheinander größer als der Stolz. Das ist vielleicht genau der Punkt, der mich von Marie unterscheidet. Die Sache mit dem Stolz. Marie könnte sich niemals einfach so einem Gefühl von Zuneigung hingeben, ohne es vorher durch alle Gehirnwindungen gejagt zu haben.
    Irgendwann hat Olli einfach wieder meine Hand genommen und in diesem Augenblick war ich einfach nur erleichtert.
    Olli legt seinen Arm um mich und reicht mir die Flasche. Mit der Nasenspitze bahnt er sich den Weg durch meine Haare. Er atmet mir sanft und warm ins Ohr und flüstert: »Auf unseren ersten Sommer, Prinzessin.«
    Ich sehe ihm in die dunklen Augen, nehme einen großen Schluck raticida , Rattengift, wie Marta unsere Sangria getauft hat, und male mir aus, wie wundervoll es werden könnte mit uns beiden, wenn ich erst einmal all die unangenehmen Erinnerungen hinter mir gelassen habe.
    Ab heute Abend werde ich versuchen nicht mehr an ertrinkende Schuhe zu denken. Nicht an kriegerische Gummifische und nicht an unerhörte Marmeladenbotschaften. Ich werde nicht mehr an Briefe denken, die ich nie schreiben werde, ich werde nicht an Vanessa denken und schon gar nicht an Marie.
    Ich werde an Schokoladeneis denken, das mir in den Schoß tropft. Ich werde an blitzende Silberlöffel denken, voll beladen mit Erdbeeren. Ich werde daran denken, dass ich die Prinzessin des Piraten bin. Ich werde an den Leberfleck an seiner linken Wade denken, der im Schummerlicht aussieht wie ein winziger Schmetterling.
    Die einen bauen Sandburgen, die anderen graben ein Loch in den Sand und nennen es dann Minibar. Pete zum Beispiel.
    So würde die Sangria länger kühl bleiben, hatte er uns fachmännisch erklärt, nachdem er fertig gebuddelt und alle Flaschen in der Nennen-wir-es-Minibar verstaut hatte.
    Jetzt ist es so weit, denke ich verschwommen. Fehlen nur noch das Morgengrauen, die Quarkmaske, die liederlich aufgelegten Gurkenscheiben im Gesicht und wir könnten den »Tod durch Minibar« proklamieren.
    Pete lässt sich in den Sand fallen und angelt im Halbdunkel nach der letzten Flasche. Er braucht Ewigkeiten, um dem Schraubverschluss seinen Willen aufzuzwingen.
    »Das Scheißding wär gern ’n Korken geworden«, ächzt Pete, als es ihm endlich gelingt, die Flasche zu öffnen.
    Jule reißt sie ihm sofort aus der Hand und gönnt sich einen tiefen, ungezielten Schluck. Ihrem Kleid ist es mittlerweile egal.
    Philipp hält Jule und ihr bekleckertes Kleid im Arm. Ich staune mal wieder über seine Seelenruhe. Die Zärtlichkeit, mit der er ihr ein ums andre Mal die rebellierenden Haarsträhnen aus der Stirn streicht, wirkt grenzenlos.
    »Wahrheit oder Pflicht«, lallt Pete.
    »Oder«, lallt Jule und Philipps Pullover erstickt ihr Kichern.
    Marta summt in Petes Schoß seit Minuten ein und dieselbe Melodie in Schleife. Ich habe das Gefühl, wir sind alle reif für’s Bett.
    »Wahrheit«, stammelt Olli. Ich liege auf seinem Schoß und möchte mich aufrichten, aber ich kann nicht. Das Rattengift liegt mir wie Zement im Magen. Das Rauschen des Meeres hüllt mich ein wie eine viel zu schwere Bettdecke.
    »Schlechtester Sex«, höre ich Pete aus der Ferne über Ollis Wahl triumphieren.
    Ich möchte mit dem Kopf schütteln. Aber mein Kopf bleibt reglos auf Ollis Wade liegen. Rattengift. Auch in meinem Kopf nichts als lähmendes Gift!
    Ich will nicht, dass Olli mit Pete über Sex redet. Das ist eine Sache zwischen Olli und mir. Und alles, was in punkto Sex nichts mit Olli und mir zu tun hat, will ich schon gar nicht hören. Ich will nicht wissen, mit wem Olli geschlafen hat und wie es war.
    »Scheißfrage«, höre ich Olli über mir und hoffe, dass er sich nicht auf dieses blöde Frage-Antwort-Spielchen einlässt. Weiß doch jeder, dass diese Art von Partyspaß meist in einem Fiasko endet.
    »Schlechtester Sex«, beharrt Pete.
    Die Vorstellung, dass Olli außer mir noch mit anderen Mädchen geschlafen haben könnte, erscheint mir immer wieder befremdlich, obwohl ich mindestens eines der Mädchen kenne. Aber seit Wochen versuche ich doch genau jene Bilder aus meinem Kopf zu verdrängen!
    Pete ist der absolut allerletzte Mensch auf Erden, der ausgerechnet jetzt diese Bilder wieder aus der Versenkung holen
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