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Grenzlande 1: Die Verpflichtung (German Edition)

Grenzlande 1: Die Verpflichtung (German Edition)

Titel: Grenzlande 1: Die Verpflichtung (German Edition)
Autoren: Lorna Freeman
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    Wir hatten uns verirrt. Wir waren auf einer Routinepatrouille unterwegs, einer wie hundert andere, aber diesmal hatten wir irgendwie den Rückweg verpasst, während wir dafür sorgten, dass in den Bergen über der kleinen Stadt Freston keine Banditen herumlungerten. Ich kundschaftete die Gegend ein Stück vor meiner Truppe aus, war von meinen Kameraden als Freiwilliger bestimmt worden, weil ich ja aus dem Grenzgebiet stammte – ein Kind der Erde wäre oder irgend so ein Unsinn, von dem immer in den Straßentheatern die Rede war. Aber Unsinn oder nicht, nachdem wir über eine Woche herumgeirrt waren, ohne auch nur einen einzigen uns bekannten Orientierungspunkt zu Gesicht zu bekommen, war mein Hauptmann so verzweifelt, dass er sich tatsächlich daran klammerte, ich könnte einen Weg nach Hause finden, allein mithilfe meiner Nase. Aber ich hatte meine Geschicklichkeit als Fährtenleser in den tiefer liegenden Wäldern erlernt, nicht hier weit oberhalb der Baumgrenze, wo das Einzige, das ein bisschen höher wuchs als Gras, irgendwelches verkümmertes Gestrüpp war. Ich hatte keine Ahnung, wo wir waren, und ich hatte keinen Schimmer, wo ich eine Ahnung hernehmen sollte.
    Ich ritt einen Pfad hinauf, der dem verdammt ähnelte, den wir am Vortag schon einige Male hoch- und runtergeritten waren, noch häufiger am Tag zuvor und wenigstens einmal an dem Tag davor. Mein Wallach erklomm ihn mit Leichtigkeit wegen des vertrauten Terrains, da er und der Pfad sich mittlerweile so gut kannten, und ich musste ihn nicht einmal zügeln, als wir den Kamm erreichten. Ich zog im beißend kalten Frühlingswind die Schultern hoch, wendete mein Pferd, um die Gegend erneut zu betrachten, und starrte auf den Faena, der vor mir stand und zurückstarrte.
    An der Grenze wimmelte es von heiligen Leuten und Priestern, alle mit ihren eigenen Lehren und Ritualen, die sich gerade genug unterschieden, um erbitterte Streitigkeiten unter ihnen auszulösen, sobald sie sich über den Weg liefen. Einmal, als Kind, hatte ich staunend bei einer Feierlichen Zusammenkunft zugesehen, wie der Hexer Gless kopfüber an mir vorüberflog, von unsichtbaren Händen an den Knöcheln gehalten, während seine zeremonielle Robe um seine Ohren flatterte, weil er auf einer Pause bei der Anrufung bestanden hatte, die »Steht mit den Hühnern auf« blasphemisch fand.
    Aber mit den Faena legte sich keiner an.
    Faena stammten von allen Grenzlandrassen ab. Teils Priester, teils Reichsverweser, teils Rechtsprecher, waren sie die Kette, in die der Schuss der Grenze eingewoben war. Die Faena waren im letzten Krieg mit Iversterre vor der Armee der Grenzlande marschiert, hatten gebetet und Lobpreisungen gesungen. Sie waren alle zurückgekommen, im Gegensatz zu dem größten Teil der Königlichen Armee von Iversterre. Die Faena, die den Forst und den Weiler um das Anwesen meiner Familie herum durchwandelte, war eine Eschenbaumelfe. Sie hatte es einmal mit einem ganzen Nest von Trappern aufgenommen, nachdem ein Wolf bei ihr eine Eingabe wegen der Pelze gemacht hatte, welche die Trapper erbeutet hatten und die früher einmal seinen Familienmitgliedern gehört hatten. Als sie mit ihnen fertig war, predigten die Trapper von Frömmigkeit, Reinheit und der Unantastbarkeit des Landes. Sagte ich schon, dass sich besser niemand mit einem Faena anlegte?
    Dieser hier war ein Berglöwe.
    Er stand aufrecht auf zwei Beinen, war etwas größer als ich und trug bunte Perlen und Federn in dem rötlichen Fell um seinen Kopf und in seinen spitzen Ohren. Seine bernsteinfarbenen Augen glühten in der Sonne, und sein Schwanz zuckte im Wind. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass er meine ungeteilte Aufmerksamkeit besaß, griff er in eine Innentasche seines Mantels und zog eine Serviette heraus, die er auseinanderfaltete und aus der er einige Honigkekse zutage förderte. Ich stieg ab und strich die Falten aus meinem Überrock.
    »Hase«, sagte ich und legte meine Handflächen aneinander.
    »Laurel«, brummte er und drückte seine Tatzen zusammen.
    »Ihr wandelt durch dieses Gebiet?«, erkundigte ich mich.
    »Im Augenblick«, antwortete Laurel. Er lächelte, was seine langen, spitzen Reißzähne entblößte, und bot mir Honigkekse an. Ich nahm einen; er nahm den anderen und hockte sich hin, um zu essen.
    Ich hockte mich neben ihn und aß ebenfalls, während ich die Zügel meines Pferdes fest in den Händen hielt, falls es auf die Idee kommen sollte abzuzischen. Aber mein kauender Kumpan schien es
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