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Die Ausgesetzten

Die Ausgesetzten

Titel: Die Ausgesetzten
Autoren: dtv
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Eins
    Jonas zappelte im Sessel herum und der Sessel zappelte mit ihm. Wäre er in anderer Stimmung gewesen, hätte ihn das fasziniert.
     Wie war dieser Sessel programmiert? Gab es einen eingebauten Chip, der ihn dazu brachte, sich zu bewegen? Doch im Augenblick
     war Jonas zu abgelenkt. Er saß in einem sterilen, fast leeren Raum und wartete darauf, durch die Zeit in eine unbekannte Epoche
     mit unbekannten Gefahren zurückzureisen. Daher konnte er nichts anderes tun, als herumzuzappeln.
    Eigentlich sollte man annehmen, dass es bei Zeitreisen keine Wartezeiten gibt, dachte er verdrossen.
    Neben ihm hopste seine elfjährige Schwester Katherine auf ihrem Sessel herum (sodass der Sessel ebenfalls hopste) und redete
     auf Andrea ein, die dritte Person, die mit ihnen in die Vergangenheit reisen würde. Eigentlich war Andrea an diesem Tag sogar
     die wichtigste Zeitreisende. Sie war der Grund, warum sie überhaupt aufbrachen.
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte Katherine zu ihr. »Man muss beim Reisen durch die Zeit nicht die Luft anhalten oder so etwas.
     Es ist ganz einfach.«
    »Das beruhigt mich«, sagte Andrea leise. Sie saß völligregungslos da und ihr Sessel hielt ebenfalls still. Sie hatte den Blick starr auf die gegenüberliegende Wand gerichtet und
     schien von Katherine kaum Notiz zu nehmen. Normalerweise hätte ihr Verhalten Jonas’ Zustimmung gefunden; auch er versuchte
     seine jüngere Schwester so oft wie möglich zu ignorieren. Doch im Gegensatz zu ihm und Katherine war Andrea noch nie in die
     Vergangenheit gereist. Sie wusste weder, in welche Epoche sie reisen, noch was sie dort zu tun haben würde. Müsste sie da
     nicht Fragen stellen oder wenigstens so tun, als ob es sie interessierte?
    »Was allerdings überhaupt nicht witzig ist, ist die Zeitkrankheit«, schwadronierte Katherine weiter und warf ihren blonden
     Pferdeschwanz über die Schulter. »Als wir mit Chip und Alex ins Jahr 1483 zurückgereist sind, war ich hundertprozentig sicher,
     gleich brechen zu müssen. Außerdem war mir furchtbar schwindelig und   –«
    »Katherine!«, fiel Jonas ihr ins Wort, weil er ihr Gebrabbel nicht länger ertragen konnte. »Andrea wird die Zeitkrankheit
     nicht bekommen, so wie du. Hast du vergessen, dass sie in ihr eigenes Zeitalter zurückreist? In die Zeit, in die sie gehört?
     Sie wird sich also gut fühlen.«
    Bei diesen Worten leuchtete Andreas Gesicht auf.
    He, staunte Jonas. Sie sieht ja richtig gut aus. Das war ihm bisher tatsächlich noch nicht aufgefallen. Natürlich kannte er
     sie kaum. Als er ihr das erste Mal begegnet war, hatten sich noch vierunddreißig andere Kinder in ihrer Nähe befunden und
     vier Erwachsene, die darum kämpften, was mit den Kindern geschehen sollte. Leute wurden mit Elektroschockern beschossen, gefesseltund in die Vergangenheit zurückgeschickt   … Jonas hatte also mehr als genug Gründe gehabt, sich Andrea nicht genauer anzusehen. Er wusste nur noch, dass sie bei ihrer
     ersten Begegnung ihr langes braunes Haar in Zöpfen getragen hatte und dass sie nicht schrie und durchdrehte wie viele andere.
     Außerdem war er ziemlich sicher, dass sie, genau wie er selbst und die anderen Kinder, um die die Erwachsenen gekämpft hatten,
     dreizehn Jahre alt war und dass sie zu den verschollenen Kindern der Geschichte gehörte, die Babyschmuggler aus ihrer angestammten
     Zeit geraubt hatten. Eine, die zurückkehren musste, um den Lauf der Geschichte zu retten.
    Plötzlich hatte Jonas das dringende Bedürfnis, Andrea daran zu erinnern, dass er und Katherine schon einmal bewiesen hatten,
     dass sie in der Lage waren, sowohl die Geschichte als auch verschollene Kinder zu retten, selbst dann, wenn die Zeitexperten
     das für unmöglich hielten. Schließlich hatten sie Chip und Alex aus dem fünfzehnten Jahrhundert gerettet, oder etwa nicht?
     Jonas lächelte Andrea an und legte sich seine Worte zurecht. Bestimmt sollten sie klingen, aber ungezwungen und nicht zu überheblich.
     Ob sich
Hab keine Angst. Ich passe auf dich auf
blöd anhörte?
    Katherine unterbrach ihn, bevor er überhaupt dazu kam, etwas zu sagen.
    »Andrea kann sehr wohl die Zeitkrankheit bekommen«, behauptete sie. »Nicht die Art, die man bekommt, wenn man sich im falschen
     Zeitalter aufhält, aber die andere, vom Reisen durch die Zeit. HK hat vermutet,dass ich beide Arten hatte, weißt du noch? Deshalb habe ich mich so elend gefühlt. Und   …«
    Katherine verstummte, denn in diesem Moment ging die Tür auf und
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