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Die Ausgesetzten

Die Ausgesetzten

Titel: Die Ausgesetzten
Autoren: dtv
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HK, von dem sie gerade noch gesprochen hatte, trat ein.
    HK war ein Zeitreisender aus der Zukunft und der Anführer derjenigen, die die Zeit zu retten versuchten, indem sie sämtliche
     geraubten Kinder an ihren Platz in der Geschichte zurückschickten. Er war groß, hatte glänzendes kastanienbraunes Haar und
     sah so gut aus, dass Katherine ihm den Spitznamen »süßer Hausmeisterknabe« gegeben hatte, ehe sie herausfanden, womit er wirklich
     sein Leben bestritt. Aus irgendeinem Grund machte HKs Erscheinen Jonas in diesem Moment regelrecht wütend. Je nachdem, wie
     man es betrachtete, kannte er ihn erst seit einigen Wochen oder auch seit mehr als fünfhundert Jahren. (Beziehungsweise seit
     mehr als tausend Jahren, wenn man berücksichtigte, dass Jonas, Katherine, Chip und Alex zwischen dem einundzwanzigsten und
     dem fünfzehnten Jahrhundert hin- und hergereist waren.) So oder so hatte Jonas eine Weile gebraucht, um sich darüber klar
     zu werden, ob er HK vertrauen konnte oder nicht. HK hatte Jonas, Katherine und ihren Freunden zwar geholfen, aber ganz sicher
     war sich Jonas immer noch nicht: Wenn HK die Wahl hätte, lieber die Kinder oder die Geschichte zu retten, für wen oder was
     würde er sich wohl entscheiden?
    Ich muss dafür sorgen, dass er diese Wahl niemals hat, sagte sich Jonas entschlossen. Wieder blickte er zu Andrea mit der
     makellosen, blassen Haut hinüber. Ihregrauen Augen sahen aus irgendeinem Grund wieder traurig aus – ja regelrecht gequält. Ich werde dich beschützen, dachte er,
     auch wenn es sich vermutlich lächerlich anhören würde, wenn er das jetzt ausspräche. Er stampfte mit dem Fuß auf, dass sein
     Sessel ebenfalls auskeilte.
    »Vorsicht«, warnte HK. »Die Dinger haben eine hochsensible Kalibrierung.« Erst jetzt schien er Katherines Gehopse zu bemerken.
     »Sie sind eigentlich nicht für Kinder gedacht.«
    Katherine unterbrach ihr Gehopse mitten im Schwung. Ihr Sessel schnellte hoch und fing sie auf.
    »’tschuldigung«, sagte sie. »Können wir jetzt los? Am besten schickst du uns einfach in die Vergangenheit, dann besteht keine
     Gefahr, dass wir deine kostbaren Sessel ruinieren.«
    Sie klang gekränkt. Jonas fragte sich, ob er HK warnen sollte, Katherine lieber nicht zu vergrätzen.
    »Noch nicht«, erwiderte HK. »Wir müssen euch zuerst noch briefen.«
    Katherine beugte sich vor und ihr Sessel tat das Gleiche.
    »Wirklich?«, hauchte sie und schien jegliche Kränkung vergessen zu haben. »Ihr wollt uns diesmal verraten, wohin es geht –
     bevor wir dort ankommen?«
    HK lachte.
    »Beim letzten Mal habt ihr mir kaum eine Chance gelassen«, erinnerte er sie.
    »Das war nicht unsere Schuld«, brauste Jonas auf. »Wenn du Chip und Alex nicht zurückgeschickt hättest,ohne ihnen irgendwas zu erklären, und wenn du uns nicht reingelegt hättest, als ich dir den Definator überlassen habe, und
     wenn du   –«
    HK hob die Hand und schnitt Jonas das Wort ab.
    »Immer mit der Ruhe«, sagte er. »Es tut mir leid, ja? Das ist aus und vorbei. Schnee von gestern. Hast du noch nie gehört,
     dass man die Vergangenheit ruhen lassen soll?«
    Katherine und Jonas sahen ihn verdutzt an.
    »Äh, ist das nicht ein Widerspruch, wenn ein Zeitreisender so etwas sagt?«, fragte Katherine.
    »Klaro.« HK strahlte sie an. »Ihr habt den Witz kapiert. Das ist Zeitreisenhumor – einfach genial.«
    Er wandte sich an Andrea, die immer noch still und unbeteiligt dasaß.
    »Was mich angeht, sitzen wir diesmal alle im gleichen Boot«, sagte er. »Und zwar von Anfang an. Keine unnötige Geheimniskrämerei.
     Abgemacht?« Er streckte Andrea die Hand hin.
    »Sicher«, erwiderte Andrea ruhig und schüttelte ihm die Hand, ehe er das Gleiche auch mit Jonas und Katherine tat. Hätte Jonas
     in diesem Moment nicht so genau auf Andrea geachtet, wäre ihm vielleicht entgangen, dass diese ein klein wenig zögerte, ehe
     sie sprach und HKs Hand ergriff.
    Sie hat doch Angst, stellte er fest. Sie braucht wirklich jemanden, der auf sie aufpasst.
    »Dann willst du Andrea also sagen, wer sie in Wirklichkeit ist?«, fragte Katherine neugierig.
    Und mir?, wäre es Jonas fast entschlüpft, der ganzvergaß, dass er sich im Augenblick ausschließlich für Andreas Schutz zu interessieren hatte. Jonas hatte miterlebt, wie seine
     Freunde Chip und Alex in der Vergangenheit erfahren hatten, wer sie wirklich waren. Und er wusste, dass am Ende auch er in
     sein ursprüngliches Zeitalter würde zurückkehren müssen,
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