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Der ewige Held 02 - Der Phönix im Obsidian

Der ewige Held 02 - Der Phönix im Obsidian

Titel: Der ewige Held 02 - Der Phönix im Obsidian
Autoren: Michael Moorcock
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PROLOG
    Eine schimmernde Ebene ohne Horizont. Die Ebene hat die Farbe vor rohem, rotem Gold. Der Himmel zeigt ein verblaßtes Purpur. Zwei Gestalten befinden sich auf der Ebene: ein Mann und eine Frau. Der Mann in einer zerschlagenen Rüstung ist groß mit müden, eckigen Zügen. Die Frau ist schön - dunkelhaarig und zartgliedrig, bekleidet mit einem Gewand aus blauer Seide. Er ist ISARDA VON TANELORN. DIE FRAU ist namenlos.
     
    DIE FRAU
    Was sind Zeit und Raum anderes als Lehm in der Hand, die die kosmischen Waagschalen hält? Dieses Zeitalter entsteht - ein anderes vergeht. Alles ist in beständigem Wechsel begriffen. Die Lords von Ordnung und Chaos kämpfen einen ewigen Kampf und niemals gibt es einen endgültigen Sieg oder eine endgültige Niederlage. Die Waage neigt sich einmal nach dieser Seite, dann wieder zur anderen. Wieder und wieder zerstört die Hand ihre Schöpfungen und beginnt von neuem. Und die Erde verändert sich ständig. Der Ewige Krieg ist das einzig Dauerhafte in der vielfältigen Geschichte der Erde, und auch er hat jedesmal eine andere Gestalt und einen anderen Namen.
     
    ISARDA VON TANELORN:
    Und die Männer, die in diesen Kampf verstrickt sind? Können sie jemals den wahren Grund ihrer Mühen erkennen?
     
    FRAU:
    Selten.
     
    ISARDA VON TANELORN:
    Und wird die Welt einmal aus diesem Zustand der Veränderung zur Ruhe kommen?  
     
    FRAU:
    Wir werden es nie erfahren, denn wir werden nie dem Einen gegenüberstehen, der die Hand führt.
     
    ISARDA:
    (Er breitet die Arme aus.) Aber sicherlich sind einige Dinge von Dauer ...
     
    FRAU:
    Selbst der gewundene Strom der Zeit kann von der Kosmischen Hand eingedämmt oder in ein anderes Bett geleitet werden. Wir sind der Gestalt der Zukunft ebensowenig sicher, wie unserer eigenen, überlieferten Vergangenheit. Vielleicht existieren wir nur für diesen Augenblick? Vielleicht sind wir unsterblich und werden ewig leben? Nichts ist sicher, Isarda. Alles Wissen ist Illusion - Zweck ist ein bedeutungsloses Wort, nur ein Geräusch, das beruhigende Bruchstück einer Melodie in einem Mißklang aufeinanderprallender Akkorde. Alles ist Veränderung - Materie ist wie diese Juwelen. (Sie wirft eine Handvoll glänzender Steine auf die goldene Oberfläche; sie verteilen sich. Als das letzte Juwel zur Ruhe gekommen ist, blickt sie zu ihm auf.) Manchmal ergeben sie ein Muster, gewöhnlich nicht. So ist in diesem Moment ein Muster entstanden - du und ich, wir stehen hier und sprechen. Aber jeden Augenblick kann das Muster, worin unsere Leben enthalten sind, wieder verworfen werden.
     
    ISARDA:
    Nicht wenn wir Widerstand leisten. Die Legenden erzählen von Männern, die dem Chaos durch die Kraft ihres Willens Gestalt aufzwangen. Aubecs Hand formte dein Land und, als Folge davon dich.
     
    FRAU:
    (Sehnsüchtig.) Vielleicht gibt es solche Männer. Aber sie stellen sich gegen den Willen des Einen, der sie erschaffen hat.
     
    ISARDA:
    (Nach längerem Schweigen.) Und was, wenn es solche Männer gibt? Was würde aus ihnen werden?
     
    FRAU:
    Ich weiß nicht. Aber ich beneide sie nicht.
     
    ISARDA:
    (Er blickt über die goldene Ebene. Er spricht leise.) Ich gleichfalls nicht.
     
    FRAU:
    Man sagt, daß deine Stadt Tanelorn ewig ist. Man sagt, daß sie durch den Willen eines Helden während jeder Veränderung der Welt bestehengeblieben ist. Man sagt, daß alle Heimgesuchten dort Frieden finden.
     
    ISARDA:
    Es wird auch gesagt, daß sie erst den Willen zum Frieden haben müssen, bevor sie Tanelorn finden können.
     
    FRAU:
    (Neigt den Kopf) Und wenige haben diesen Willen.
     
    Die Chronik des Schwarzen Schwertes
    (Band 1008 Rolle 14: Isardas Rechenschaft)

ERSTES BUCH
    VORAHNUNGEN
    Doch gestern nacht war nur Gebet mein Trost,
    als voll Entsetzen, voller Grau'n
    ich auffuhr aus dem Höllentraum
    wo Schatten und Gedanken mich umtost:
    Ein fahles Licht, stürmende Horden,
    die Ahnung untilgbarer Schuld,
    und die nur stark, die mir verhaßt worden!
    Durst nach Rache, der Wunsch, zu verdammen,
    ohnmächtig noch, doch schon in Flammen!
    Verlangen und Abscheu, furchtbar vereint,
    auf alles gerichtet, das hassenswert scheint!
    Groteske Begierden! Tobender Wahn!
    Und über allem Entsetzen und Scham!
    Taten der Nacht, im Lichte begangen,
    vermehrte Qual, denn es blieb mir verborgen,
    war ich der Henker oder war ich gefangen:
    denn alles war Schuld, Reue und Sorgen,
    ob die meinen oder fremde - derselbe Gram,
    verzehrende Furcht, verzehrende Scham.

    S.T. Coleridge: Die Qualen
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