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Zurück nach Hollyhill: Roman (German Edition)

Zurück nach Hollyhill: Roman (German Edition)

Titel: Zurück nach Hollyhill: Roman (German Edition)
Autoren: Alexandra Pilz
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Augen an.
    »Omi …«, setzte diese erneut an, doch ihre Großmutter unterbrach sie.
    »All die Jahre lag die Kette in dem Kästchen neben meinem Bett. Doch als ich sie gestern Abend holen wollte, war sie plötzlich nicht mehr da. Ich habe sie schließlich …« Sie holte Luft. »Sie lag in meinem Schmuckkasten, auf dem Brief deiner Mutter, genau so, wie ich sie damals in Esthers Sekretär gefunden habe. Und ich weiß nicht, warum du sie plötzlich öffnen konntest. Das durfte gar nicht möglich sein.« Der letzte Satz war nur mehr ein Wispern, und Emily brauchte einen Moment, um seinen Inhalt zu begreifen. Dann prustete sie los. »Meine Güte, Omi, du hast mir einen Riesenschrecken eingejagt«, sagte sie lachend, doch als sie in das entsetzte Gesicht ihrer Großmutter blickte, wurde sie schnell wieder ernst.
    »Hör zu, das Ganze ist sicherlich leicht zu erklären«, versuchte sie zu beschwichtigen. »Du hast so oft auf dem Verschluss herumgedrückt, dass er sich verklemmt hat, und dann ist der Mechanismus plötzlich von selbst aufgesprungen, weil er einfach noch auf Öffnen gestellt war.« Wie sollte es auch sonst sein? An Schmuckstücke, die ein Eigenleben führten, glaubte Emily ganz sicher nicht. »Bestimmt ist dir nur entfallen, wo du das Armband zuletzt …«
    Ihre Großmutter schüttelte energisch den Kopf. »Ich habe die Kette nicht in den Schmuckkasten gelegt«, erklärte sie mit Nachdruck.
    »Omi …«. Emily seufzte. Es war nicht das erste Mal, dass ihre Großmutter etwas verlegt hatte, doch sie wollte ihr nicht wehtun, also schwieg sie. »Ganz sicher ist alles nur …«
    »Nein, Emily«, wurde sie unterbrochen. »Es ist nicht nur das. Vor Jahren war ich bei einem Juwelier«, fuhr sie fort, aufgeregter jetzt. »Er sagte mir, dieser Verschluss ließe sich nicht öffnen. Die Kette müsse so konzipiert sein, dass sie am Handgelenk seiner Trägerin verschweißt wird. Danach sei sie nicht mehr zu öffnen. Er hatte so etwas noch nie gesehen und konnte keine andere Erklärung finden. Es gäbe auf jeden Fall keine Möglichkeit, diese Kette aufzumachen, ohne sie zu zerstören.«
    Emily starrte ihre Großmutter an, als seien ihr auf einmal Antennen aus dem Kopf gewachsen. Ehrlich, sie war nicht der Typ, der bei jeder Kleinigkeit zusammenzuckte oder sich bei Gespenstergeschichten gruselte, aber wenn sie nicht aufpasste, würde die Gänsehaut an ihren Armen noch festwachsen.
    »Emily, bitte fahr nicht nach England. Ich habe ein mulmiges Gefühl, was diesen Brief betrifft, und nun auch noch das Armband …«
    »Omi, hör zu«, unterbrach Emily. Sie bemühte sich um einen beruhigenden Tonfall, denn sie wollte auf keinen Fall, dass ihre Großmutter sich Sorgen machte, aber sie würde sich dennoch nicht von ihrem Entschluss abbringen lassen.
    »Es gibt für alles eine logische Erklärung«, fuhr sie fort, »daran kann auch dieses blöde Ding nichts ändern. Das Armband ist vermutlich aus England und ein solcher Verschluss hier nur nicht bekannt. Diese ganze Sache ist halb so mysteriös wie du oder Fee glauben. Ganz sicher würde Mama mich nicht in Gefahr bringen wollen.« Der Gedanke war ihr bisher noch gar nicht gekommen. Aber ja, er hörte sich plausibel an.
    »Dann nimm wenigstens Fee mit.« Die Stimme ihrer Großmutter hatte einen flehenden Ton angenommen.
    Emily zuckte bedauernd mit den Schultern. »Das ist leider unmöglich, ihr Vater bringt sie um, wenn sie nicht am Montag das Praktikum in seiner Kanzlei beginnt.«
    »Ich könnte …«
    »Liebste Omi, ich fahre. Allein. Mama hat nicht einmal Papa etwas von diesem komischen Dorf erzählt – ich glaube nicht, dass sie wollte, dass ich dort mit … Begleitung anreise.« Sie hatte »mit einer Fremden« sagen wollen, was streng genommen richtig war: Ihre Oma war die Mutter ihres verstorbenen Vaters, gehörte also eigentlich nicht zur Familie ihrer Mutter, über die sie selbst bis heute so gut wie nichts gewusst hatte. Eigentlich gar nichts. Warum nur hatte sie das bislang nie als seltsam empfunden?
    Sie stand auf und nahm ihre Großmutter fest in die Arme. »Mach dir bitte keine Sorgen«, bat sie. »In spätestens zwei Wochen bin ich wieder hier.«
    Noch ahnte Emily nicht, wie sehr sie mit dieser Einschätzung daneben lag.

2
    I n der Nacht vor ihrem Abflug hatte Emily so schlecht geträumt wie seit Jahren nicht.
    Sie war über eine Weide gestolpert, die so bucklig war, dass ihre nackten Füße bei jedem zweiten Schritt einknickten. Der Wind rupfte an ihren Haaren
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