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Zurück nach Hollyhill: Roman (German Edition)

Zurück nach Hollyhill: Roman (German Edition)

Titel: Zurück nach Hollyhill: Roman (German Edition)
Autoren: Alexandra Pilz
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und ihrem Pullover, der Regen durchweichte ihre Kleidung genauso wie ihre Haut, die an den Händen bereits schrumpelte. Bei einem ihrer hektischen Versuche, über die Schulter nach hinten zu blicken, stürzte sie über einen der Grasbuckel und schlug sich das Knie an einem Stein auf. Emily ignorierte das Loch in ihrer Jeans und hastete weiter, auf den schwarzhaarigen Jungen zu, der ihr mit weit aufgerissenen Augen etwas zurief. Er saß auf einem Pferd, das ihr Angst machte, weil es wie verrückt auf der Stelle tänzelte, aufgescheucht vom Sturm und … von irgendetwas anderem. Emily schreckte vor dem dunklen Tier zurück, zur gleichen Zeit zerrte eine Böe an ihr und warf sie auf den Boden. Sie war kaum aufgeschlagen, da griff eine Hand nach ihr und …
    Emily erschauerte. Sie wollte gar nicht wissen, wer oder was dort an ihrem Arm gerissen hatte und sie würde es auch nicht herausfinden, denn genau in diesem Moment war sie mit dem Kopf gegen die Nachttischkante geschlagen und aufgewacht.
    Emily rieb sich die Stirn. Diese ziemlich unerfreuliche Nacht hatte eine Beule hinterlassen, die bei ihrem letzten Blick in den Spiegel schon eine bläuliche Färbung angenommen hatte. Da zahlt es sich doch mal aus, Pony zu tragen, dachte sie und drückte ihre Stirn gegen die kühle Scheibe des Reisebusses.
    Den Flug von München nach London hatte sie dank wiederholter Atemübungen ihrer Yogalehrerin gut überstanden, auf der Zugfahrt nach Exeter war sie allmählich ruhiger geworden. Doch nun saß sie seit knapp anderthalb Stunden in dem klapprigen Bus und wurde langsam wieder nervös: Sie zuckelten mehr durch das Dartmoor als dass sie fuhren, von einem kleinen Ort zum nächsten. Dabei wollte sie eigentlich nicht im Dunkeln in Bellever Tor ankommen, sie wusste schließlich noch nicht einmal, wo sie dort übernachten sollte. Und der Busfahrer war ihr auch keine wirklich große Hilfe gewesen. Von einem Ort namens Hollyhill jedenfalls hatte er noch nie etwas gehört.
    Geistesabwesend drehte Emily das Kettchen an ihrem Arm und starrte auf die Landschaft, die wie in Zeitlupe an ihr vorüberzog. Bis eben hatte sie hauptsächlich Felder gesehen: grüne, weite Felder, durchsetzt mit braun und gelb bewachsenen Buckeln und gesprenkelt mit Schafen. Ab und an ragte ein vom Wind zerzauster Baum in den Himmel, und immer wieder trennten Steinmäuerchen das Gras in einzelne Parzellen, doch darüber hinaus – nichts. Kilometerweit kein Haus, kein Auto, kein Mensch. Bis auf die winzigen Dörfer, die sie anfuhren, war kaum ein Zeichen von Zivilisation zu erkennen. Dieses Moor war unendlich weit und schön – und unheimlich. Und erst der Himmel, der das alles überspannte: Er reichte von tiefschwarzen Wolken bis zu hellblauen Tupfen und silbernen Strahlen dort, wo sich die Sonne durchzukämpfen versuchte.
    Emily starrte und blinzelte dann zweimal, um sich selbst aus ihrer Trance zu holen. War sie nicht schon viel zu lange unterwegs? Sie wollte gerade die Aufmerksamkeit auf den Fahrer lenken, um ihn zu fragen, wann sie ihr Ziel erreichen würden, als der Bus rumpelnd zum Stehen kam.
    »Bellever Tor«, grummelte der Mann mit sonorer Stimme und drehte Emily sein knittriges Gesicht zu. »Wolltste nicht hier aussteigen? Näher kann ich dich nicht bringen, Schätzchen, sorry .«
    Emilys Englisch war nicht schlecht. Ihre Mutter hatte die wenigen gemeinsamen Jahre nur in dieser Sprache mit ihr gesprochen, und später hatte sie sich große Mühe gegeben, diese, ihre Sprache so wenig wie möglich zu vergessen. Jedenfalls bereitete es ihr keine Probleme, den breiten Akzent des Fahrers zu entschlüsseln.
    »Gibt es noch einen anderen Halt in Bellever Tor?«, fragte sie und schielte aus dem Fenster. Sie hatten am linken Straßenrand gehalten, vor einem Viehgatter, über das man eine Weggabelung erreichte. Weit und breit war kein Haus zu sehen, nur Wald und Felder. Emily wandte sich wieder dem Fahrer zu.
    »Nah«, antwortete der. »Wirst’n bisschen laufen müssen. Am besten da lang.« Er nickte mit dem Kopf in Richtung eines Schotterwegs, der direkt zwischen die Schatten der Bäume führte und um diese Nachmittagszeit bereits beängstigend düster wirkte. »Oder nimmste den, is’ aber noch’n bisschen länger.« Diesmal zeigte er auf die schmale, asphaltierte Straße, die am Rande des Waldes verlief und weiter vorn einen Bogen um diesen zu schlagen schien.
    Emily seufzte. Das waren ja großartige Aussichten. Sie schnappte sich Rucksack und Rollkoffer und
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