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Zurück nach Hollyhill: Roman (German Edition)

Zurück nach Hollyhill: Roman (German Edition)

Titel: Zurück nach Hollyhill: Roman (German Edition)
Autoren: Alexandra Pilz
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quetschte sich umständlich die schmalen Stufen hinunter aus dem Bus. Der Fahrer sah ihr nachdenklich zu. »Willste wirklich mit dem Koffer da rauf? Da hinten ist Postbridge, da nimmste dir besser erst ma’n Zimmer. Oder gehste da lang«, schlug er vor und zeigte in Richtung des asphaltierten Weges, »da kommt ’ne Jugendherberge irgendwann.«
    »Zimmer suchen, klar«, murmelte Emily. Genau das hab ich ja vor. Sie hob den Kopf und nickte dem Busfahrer zum Abschied zu. »Vielen Dank«, sagte sie entschieden. »Ich komme schon zurecht.«
    Etwa eine halbe Stunde später war sich Emily nicht mehr so sicher. Sie hatte es ein paar Schritte mit dem Feldweg probiert und dann schnell aufgegeben: Die Rollen ihres Koffers wollten sich auf dem Schotter einfach nicht vorwärts bewegen. Und ein wirklich gutes Gefühl hatte ihr der Wald ohnehin nicht bereitet. Also war sie umgekehrt und hatte sich die längere Variante vorgenommen. Bloß: Wie lang konnte die eigentlich sein?
    Es war schon fast fünf Uhr. Und es hatte angefangen zu regnen. Emily blieb am Straßenrand stehen, ließ ihren Rucksack von den Schultern gleiten und durchwühlte ihr Handgepäck nach der zitronengelben Regenjacke, die ihr Fee zusammen mit einem pinken Schirm zum Abschied geschenkt hatte. Das war ihre Art von Humor. Sie schlüpfte in die Jacke und friemelte ihre langen, braunen Haare unter die Kapuze. Schon besser. Eine Viertelstunde würde sie noch weiterlaufen, wenn sie dann immer noch nicht in Bellever Tor angekommen war, würde sie umkehren und sich in – wie hieß das noch? Postbridge? Dort würde sie sich ein Zimmer suchen.
    Energisch umfasste Emily den Griff ihres Koffers und zog ihn weiter. Sie vermied es, nach rechts zu blicken in den immer dunkler werdenden Wald und konzentrierte sich stattdessen auf die weite Landschaft, die sich auf der anderen Seite vor ihr erstreckte: Wie ein flauschiger Bettüberwurf schmiegte sich die saftig grüne Wiese über ein Meer von kleinen Hügeln, auf deren Spitzen Ginsterbüsche blühten und Grasbüschel wucherten. Es war so still hier. Sie hörte nichts außer den Tropfen, die auf ihre Kapuze prasselten. Und es roch so gut: Nach Gras und Erde und Regen.
    Emily war so auf sich selbst konzentriert und auf die ruhige Kraft, die von ihrer Umgebung ausging, dass sie das Auto erst bemerkte, als es neben ihr zum Stehen kam.
    Sie erschrak fürchterlich und verschluckte sich dabei. Während sich das Fenster des schwarzen Geländewagens surrend öffnete, hustete Emily ununterbrochen und versuchte gleichzeitig, wieder Luft in ihre Lungen zu bekommen. Ein junger Typ streckte den Kopf heraus. Emily sah zu ihm auf und war so entsetzt, dass sie erneut die Luft anhielt und noch lauter zu husten begann.
    »Oh, wow, sorry, ich wollte dich nicht erschrecken«, erklärte der Junge schnell. Er klang selbst einigermaßen schockiert. »Ich dachte nur – du sahst aus, als hättest du dich verlaufen.«
    Das konnte unmöglich sein.
    Emily blickte in die meerblauen Augen des Jungen, in sein schönes Gesicht, das von tiefschwarzen Haaren umrahmt war. Hätte er auf einem Pferd gesessen, sie wäre schreiend davongelaufen. So aber starrte sie ihn nur ungläubig an, bevor sie sich räusperte, um ihre Stimme wieder zu finden.
    »Lieber Himmel, wie kann man sich nur so anschleichen«, krächzte sie.
    »Anschleichen?« Perplex erwiderte der Junge Emilys Blick. Er hatte links neben ihr gehalten und saß dennoch auf der richtigen Seite, um mit ihr zu sprechen – an den Linksverkehr würde sie sich wohl erst gewöhnen müssen. Er klopfte mit einer Hand auf das Blech seiner Tür und fuhr fort: »Ich hätte ehrlich gesagt nie gedacht, dass ich mich mit diesem Ungetüm anschleichen könnte, aber … nun ja.« Er lächelte sie an, immer noch erstaunt. »Also: Hast du dich verlaufen? Soll ich dich mitnehmen oder macht es dir Spaß, im Regen durch die Landschaft zu spazieren?«
    Emily bewegte sich nicht. Sie war sich bewusst, dass er auf eine Antwort wartete, doch sie sah sich nicht in der Lage, eine zu formulieren. Sie hatte nicht wirklich von diesem Jungen geträumt, oder etwa doch? Von einem wildfremden Engländer, den sie nie zuvor gesehen hatte?
    Sie hörte ihn Luft holen. »Okay …«, setzte er an, und Emilys Gedanken schnappten zurück in die Gegenwart.
    Blödsinn, schalt sie sich.
    Laut fragte sie: »Entschuldige, was hast du gesagt?«
    Der Junge runzelte die Stirn. »Du siehst aus, als hättest du dich verirrt«, wiederholte er betont langsam,
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