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Zurück nach Hollyhill: Roman (German Edition)

Zurück nach Hollyhill: Roman (German Edition)

Titel: Zurück nach Hollyhill: Roman (German Edition)
Autoren: Alexandra Pilz
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»und ich wollte wissen, ob ich dich irgendwo hinfahren kann.«
    Emily überlegte einen Moment. Der Typ sah nicht aus wie ein Kettensägenmörder. Aber sie war in ihrem Leben noch nie nach 24 Uhr alleine U-Bahn gefahren, geschweige denn per Anhalter, und das würde sich heute nicht ändern.
    »Danke, ich komme schon klar«, antwortete sie deshalb. »Vielleicht könntest du mir nur sagen, wie weit ich in etwa noch laufen muss. Ich will nach Bellever Tor.«
    Die Augenbrauen des Jungen hoben sich. »Bellever Tor?«, fragte er ungläubig. »Um diese Zeit? Mit einem Koffer?«
    »Ähm – ja? Ich wusste ehrlich gesagt nicht, dass ich von der Bushaltestelle noch so weit laufen muss. Ich will mir dort ein Zimmer suchen und – ja, es ist schon spät …« Mit jedem Wort war Emily unsicherer geworden, schließlich ließ sie den Satz in der Luft hängen und legte ihre Stirn in Falten.
    Der Junge nickte in Richtung der Bäume. »Bellever Tor liegt dort hinter dem Wald auf einem Hügel.« Er wandte ihr langsam den Blick zu. »Es ist eine Steinformation «, fuhr er fort, jede Silbe betonend. »Ein Wanderziel? Kein Ort. Kein Hotel.«
    Oh, Mist.
    Emily starrte auf die Bäume, während sie sich im Geiste die Karte für das Dartmoor in Erinnerung rief. Sie hatte gedacht , die kleinen Punkte und Dreiecke auf der Zeichnung seien alles Orte gewesen, überprüft hatte sie das allerdings nicht. Warum nur hatte sie das nicht getan?
    Aus den Augenwinkeln sah sie, dass der Junge sie immer noch betrachtete, als würde er an ihrem Verstand zweifeln.
    Trotzig hob sie das Kinn. »Ich bin nicht von hier«, erklärte sie mit einer fahrigen Handbewegung in Richtung ihres Gepäcks, »ich habe das von Deutschland aus recherchiert und – ja, offensichtlich habe ich da etwas falsch verstanden.« Oh, sie ärgerte sich über sich selbst! Am liebsten wäre sie mit dem Fuß aufgestampft.
    In den Mundwinkeln des Jungen zuckte es, er sagte aber nichts.
    »Okay, hilft ja nichts, dann gehe ich eben zurück in dieses andere Kaff, da gibt es ein Hotel.« Emily wollte schon nach ihrem Koffer greifen, als ihr plötzlich ein Gedanke kam. »Du kennst nicht zufällig ein Dorf namens Hollyhill?«
    Der schnurrende Motor des Wagens gluckste auf und starb dann abrupt ab. Emily sah verwundert auf ihren Gesprächspartner, der offenbar versehentlich die Kupplung losgelassen hatte und nun leise fluchend nach dem Zündschlüssel tastete.
    »Hollyhill?«, wiederholte er. Er drehte den Schlüssel nicht um.
    Emily seufzte. »Bring’s mir schonend bei«, sagte sie dann voller Ironie, »Hollyhill ist der Hügel, auf dem der Steinhaufen steht?«
    Der Junge verzog keine Miene. »Es sind etwa sieben Meilen nach Hollyhill«, sagte er. »Du kannst das unmöglich laufen.«
    Emilys Augen weiteten sich. Er kannte Hollyhill? Es gab das Dorf tatsächlich? Sie blickte den Jungen fasziniert an, der sie nun seinerseits mit unverhohlener Neugier musterte.
    »Darf ich erfahren, was du dort willst?«, fragte er. Es klang kühl.
    Emily stutzte. Was war denn das für eine Frage?
    Laut sagte sie: »Ich weiß zwar nicht, was es dich angeht, aber ich will dort … meine Ferien verbringen. Eine Freundin hat mir das Dorf empfohlen, es soll sehr … idyllisch sein.«
    Wow. Grandios. Vielleicht hätte sie sich schon früher eine Geschichte zurechtlegen sollen. Lügen war nicht gerade ihr Spezialgebiet. Sie hätte ihm natürlich einfach den wahren Grund für ihre Reise sagen können, doch sein merkwürdiger Tonfall hielt sie davon ab. »Warum fragst du?«, hakte sie nach.
    Wie sich herausstellte, war ihr Gegenüber auch kein Freund geradliniger Antworten.
    »Steig ein, ich fahr’ dich hin«, sagte er stattdessen.
    »Das ist nicht nötig. Ich gehe einfach zurück zur Bushaltestelle und …«
    »Der Bus fährt nicht nach Hollyhill. Und du wirst es alleine nicht finden.« Er sah sie jetzt so nachdenklich an, dass Emily unbewusst die Luft anhielt. Junge, diese Augen waren blau. Und sie konnten einen niederstarren, so viel stand fest. Sie war sich plötzlich überdeutlich bewusst, dass sie in ihrer knalligen Regenjacke wie ein Kanarienvogel aussehen musste. Wie ein nasser, zerrupfter, alberner Kanarienvogel.
    Über der Nase des Jungen hatte sich eine kleine Falte gebildet. Emily heftete ihren Blick darauf.
    »Ich fahre nicht mit Fremden mit«, brachte sie schließlich hervor.
    Er musterte sie schweigend. Langsame Sekunden vergingen, dann öffnete er die Tür seines Wagens, stieg aus und streckte ihr die Hand
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