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Keine Pizza für Commissario Luciani

Titel: Keine Pizza für Commissario Luciani
Autoren: C Paglieri
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    |5| Erster Teil
    |7| Eins
    Ranieri
    Assisi, sechzehn Monate zuvor
     
    » Professore
, Ihr Vater möchte Sie sprechen.«
    Ludovico Ranieri schlug die Augen auf, die er seit einer halben Stunde geschlossen hielt, ohne dass er hätte schlafen oder
     sich zumindest ein wenig entspannen können. Der Arzt und die Krankenschwester hatten ihn aus dem Zimmer geschickt. Er saß
     im Salon im Sessel und wartete, hoffend, dass dies der letzte Anfall wäre, dass sein Vater nun endlich dahinscheiden und sie
     in die Freiheit entlassen würde, damit sie raus dürften, sich die Beine vertreten und in dieser brütenden Sommerhitze ein
     bisschen frische Luft schnappen könnten.
    Er rang sich gegenüber der Nachtschwester, einer Polin um die vierzig, die ihn zwanzig Euro die Stunde kostete, ein angestrengtes
     Lächeln ab. Die Tagschwester war eine Rumänin mit den Muskeln eines Dockarbeiters, die Cousine des Mädchens für alles, das
     inzwischen schon Jahre im Haus seines Vaters lebte. Sie verlangte hundertzwanzig Euro am Tag, schwarz, und war damit unterm
     Strich noch günstiger als ihre Base, die Haushaltshilfe, die offiziell angestellt war und ihn fast zweitausend Euro im Monat
     kostete, Lohn und Sozialabgaben zusammengerechnet. Der Steuerberater hatte ihm gesagt, dass ihr an dem Tag, an dem sie kündigen
     würde, außerdem eine Abfindung von fast zehntausend Euro zustünde.
    Und dann erzählen sie uns, dass das Bruttoinlandsprodukt sinkt, dachte er, während er die Treppe hinaufging, da krieg ich
     doch das kalte Kotzen. Unser Geld fließt ins Ausland, das ist es. Die Immigranten leben hier, bei freier Kost |8| und Logis, und was sie verdienen, das schicken sie nach Hause.
    Auch dagegen würde er etwas unternehmen müssen, sobald er den Sprung ins Parlament geschafft hätte. Eine Gesetzesvorlage einbringen,
     eine Obergrenze für die Beträge, die Einwanderer in ihre Ursprungsländer transferieren durften. Dreißig Prozent kannst du
     nach Hause schicken, aber siebzig Prozent musst du hier ausgeben, meine Teure. Da wir dich hier aufnehmen und mit Arbeit versorgen,
     musst du auch hier dein Geld wieder in Umlauf bringen, unseren Geschäftsleuten unter die Arme greifen.
    Er atmete tief durch und trat in das Zimmer seines Vaters, einen gewaltigen Raum mit einer Gewölbedecke, die fast wie eine
     Kirchenkuppel wirkte. Das Himmelbett, die lombardische Kommode, die Kniebank aus dem fünfzehnten Jahrhundert und das große
     Gemälde vom Raub der Sabinerinnen, das er als Kind fasziniert über Stunden betrachtet hatte, nach jeder Brustwarze schielend,
     die unter den gerafften Gewändern hervorlugte, und nach jedem lüsternen Blick der Soldaten. Allein das Zeug hier drinnen dürfte
     hunderttausend Euro bringen, dachte er. Auf dem Haus lastete eine Hypothek, die Bank machte ihm Feuer unterm Hintern. Nur
     seinem persönlichen Prestige und dem seines Schwiegervaters war es zu verdanken, dass der Alte bis zum Schluss über seine
     Verhältnisse leben konnte. Ein kleiner turmbewehrter Palazzo mitten in der Altstadt von Assisi, der war eine Stange Geld wert.
     Gut möglich, dass am Ende die Bank selbst hier einziehen würde. Aber die Einrichtung konnte er noch verscheuern, die Möbelpacker
     standen Gewehr bei Fuß. Er hatte bereits mit einem Kollegen seines Vaters geredet, der ihm einen fairen Preis zahlen würde.
     Auch weil dessen Neffe an Ludovicos Universität studierte, und da war es besser, wenn er sich keine Sperenzchen erlaubte.
    |9| »Ludovico«, flüsterte sein Vater und hob fast unmerklich den Arm.
    Er trat näher, bezwang seinen Widerwillen und griff nach der ausgestreckten Hand. Der Alte hatte ein ausgezehrtes gelbliches
     Gesicht, das weiße, schüttere Haar war nach hinten gekämmt. Jedes Mal wenn er die Augen schloss, schien es vorbei zu sein,
     aber wenn er sie dann wieder aufschlug, rebellierte sein fiebriger Blick.
    »Ludovico«, sagte er noch einmal mit festerer Stimme, »du musst mir einen Priester holen.«
    »Einen Priester?!«, wiederholte der Sohn fassungslos.
    »Ja. Ich will beichten.«
    »Aber … jetzt, mitten in der Nacht?« Er schaute auf die Uhr, es war drei. »Wo kriege ich denn jetzt einen Priester her? Kannst
     du nicht bis morgen früh warten?«
    Der Sterbende schnitt eine Grimasse. Sein Sohn war immer ein Kretin gewesen. Genau wie seine Mutter. »Wenn du in Assisi keinen
     Priester finden kannst …«, sagte er mit der Miene eines Menschen, der zum x-ten Mal enttäuscht worden ist.
    Ludovico
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