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Zurück nach Hollyhill: Roman (German Edition)

Zurück nach Hollyhill: Roman (German Edition)

Titel: Zurück nach Hollyhill: Roman (German Edition)
Autoren: Alexandra Pilz
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Emily stehen. Sie spürte, wie sich die feinen Härchen in ihrem Nacken aufstellten und von dort ein Kribbeln ihren Rücken hinuntersandten. Wie merkwürdig, dass in einem Ort, der kaum als Dorf durchging, mitten im Nirgendwo und umgeben von nichts und niemandem, ein »Bed & Breakfast« auf Übernachtungsgäste zu warten schien. Wo sollten die herkommen? Wie sollten sie dieses verwunschene Kaff überhaupt finden? Langsam drehte Emily sich um und ließ noch einmal ihren Blick über die Straße gleiten.
    Die Häuser mussten alt sein – sehr, sehr alt, das erkannte sie an den schiefen und dicken Mauern und den Fenstern, die sich aus vielen kleinen Glasquadraten zu einem großen zusammensetzten. Die Brücke erinnerte Emily an die, über die Keira Knightley in »Stolz und Vorurteil« gewandert war – ihre romantischen Bögen schwangen sich über einen gurgelnden Bach. Die Blumenkästen vor den Fenstern des Pfarrhauses waren üppig gefüllt, sicher summten Bienen darin, Emily meinte schon, es bis hierher hören zu können. Sie schüttelte den Kopf. Was war das hier? Alice bonbonfarbenes Wunderland, oder was?
    »Guten Abend, Liebes. Kann ich dir helfen?«
    Zum zweiten Mal an diesem Nachmittag schnappte Emily vor Schreck nach Luft, und die Anspannung in ihrem Inneren verstärkte sich noch. Sie hatte nicht bemerkt, dass sich die Tür zum »Crooked Chimney B&B« geöffnet hatte, doch nun lehnte eine ältere Frau mit silbergrauer Kurzhaarfrisur im Rahmen. Ihre sanfte Stimme und das gestelzte Englisch, das sie sprach, wollten nicht so recht zu der Jeans und dem Holzfällerhemd passen, das sie trug. Sie lächelte Emily erwartungsvoll an, ihre graublauen Augen jedoch blieben ausdruckslos. Bis auf … einen Hauch von … ja, was? Unsicherheit? Furcht?
    Emilys Haut begann erneut zu prickeln. Sie machte einen Schritt auf die Frau zu und blieb auf dem Steg über dem Rinnsal stehen.
    »Hallo«, begann sie heiser, »ich möchte ein Zimmer mieten.« Sie räusperte sich. O Gott, was machte sie hier bloß? Warum sah diese Frau sie so seltsam an? Wo um Himmels Willen war sie hier hineingeraten?
    »Ein Zimmer?« Die Stimme der alten Dame klang rau. Sie wirkte auf einmal sehr blass. Und ja, es spiegelte sich Furcht in ihren Augen.
    Emily schluckte. »Entschuldigung«, versuchte sie es noch einmal, um einen ruhigen Tonfall bemüht, »mein Englisch ist ein bisschen eingerostet.« Ohne hinzusehen hob sie eine Hand in Richtung des Blechschildes. »Ich habe gesehen, dass Sie Zimmer vermieten. Hätten Sie noch eines frei?«
    Die alte Dame blinzelte. »Du kommst nicht aus England?«, fragte sie.
    »Äh, nein«, antwortete Emily, »ich bin aus Deutschland.« Und vielleicht sollte ich dahin zurückkehren. »Ich – ich würde mir gern ein paar Tage die Gegend ansehen«, fuhr sie fort.
    »Deine Aussprache ist exzellent«, erklärte die Frau leise.
    »Vielen Dank«, gab Emily tonlos zurück, »meine Mutter war Engländerin.«
    Die blauen Augen zuckten, dann sagte einige Sekunden niemand ein Wort. Emily widerstand dem Wunsch, sich umzudrehen und nachzusehen, ob sie beobachtet wurde. Es fühlte sich so an, als würden sich Blicke in ihren Rücken bohren. Diese ganze Szene mit all ihrer … Unterschwelligkeit und ihrer … Bedeutungsschwere erinnerte sie an einen Film von Alfred Hitchcock oder Agatha Christie oder … oder …
    Um Konzentration bemüht, klammerte sich Emilys Blick wieder an der Vermieterin fest, die schließlich tief einatmete und die Tür zum Cottage weit öffnete.
    Sie sieht aus, als habe sie einen Geist gesehen, dachte Emily plötzlich. Und dann schoss ihr ein Gedanke durch den Kopf: Sie kennt meine Mutter!
    »Aber natürlich!«, rief Emily aus, doch genau in diesem Moment schnitt ihr die alte Dame das Wort ab.
    »Ich bin Rose«, platzte sie heraus, »und ich habe ein sehr schönes Zimmer für dich.« Sie zog Emily mitsamt ihres Koffers über die Türschwelle in den schmalen Gang und die Treppe hinauf, und dabei redete sie ununterbrochen über Teekocher und Frühstückszeiten und Pubs, in denen es Dinner gab, und dann schob sie Emily in einen Raum und war in Sekundenschnelle verschwunden.
    Emily war sprachlos. Sie hätte schwören können, dass auch Rose etwas geahnt hatte, als sie sich dort unten gegenüberstanden. Und sie fragte sich, warum sie durch diesen Redeschwall daran gehindert werden sollte, sie darauf anzusprechen. Als sie hörte, wie unten eine Tür geschlossen wurde, zog sie sich stirnrunzelnd in das ihr zugewiesene
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