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Walter Ulbricht (German Edition)

Walter Ulbricht (German Edition)

Titel: Walter Ulbricht (German Edition)
Autoren: Egon Krenz (Hrsg.)
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Vorwort
    Z um Ende ihrer Tage zählte die DDR 17 Millionen Einwohner. Deren Ansichten über das Land zwischen Saßnitz und Suhl sind äußerst vielfältig und widersprüchlich. Meist sachlich, differenziert und ideologiefrei. Auf jeden Fall anders als bei bestimmten Behörden, die beauftragt sind, die DDR als ein großes Gefängnis darzustellen, in dem das Führungspersonal nur darüber sinnierte, wie die Bürger drangsaliert werden können. Wie sie war, diese DDR, und wie jeder darin gelebt hat, können vor allem jene beurteilen, die hier zu Hause waren. Mein Standpunkt ist deshalb einer unter vielen. Ulbricht und seine Ansichten haben mein Leben beeinflusst und mich politisch stark geprägt.
    Der herrschende Zeitgeist sortiert Biografien jedoch nach politischen Interessen. Macht sich zum Richter über »richtiges« oder»falsches« Leben. Jubiläen werden benutzt, um genehme Personen zu glorifizieren und politisch Andersdenkende zu diffamieren. Die »Guten« kommen meist aus den Eliten der Bundesrepublik, die »Gescholtenen« fast immer aus der DDR. Zweierlei Maß für deutsche Biografien. Losgelöst von der Zeit, in der Menschen lebten und handelten. Ein irres Geschichtsbild, jenseits jeder Objektivität.
    Vor Jahrzehnten erschien in der DDR ein Bildband über Ulbricht. Damals – die Abgrenzung der beiden deutschen Staaten war längst vollzogen – hatte das Buch einen für diese Zeit bemerkenswerten Titel: »Ein Leben für Deutschland«. Ulbricht und die deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert, dieses Thema reizt mich. Heute mehr denn je. Insofern musste ich nicht lange überlegen, als mich der Verlag bat, aus Anlass des 120. Geburtstages des ersten DDR-Staatsratsvorsitzenden am 30. Juni 2013 und seines Todes am 1. August 1973 mit Weggefährten zu sprechen, die ihn noch aus eigenem Erleben kennen.
    Besteht bei diesem Vorhaben nicht auch die Gefahr, ihn zu heroisieren? Diesen Gedanken schob ich von mir. Und selbst wenn: Solange man hierzulande mehr über Hitler, seine Generäle, seine Helfer, seine Frauen, seine Hunde, seinen Bunker erfährt als über die Kämpfer gegen den Faschismus, scheint mir eine gewisse Überhöhung sogar verständlich.
    Trotzdem: Unter den von mir befragten Zeitzeugen war keiner, der Ulbricht idealisierte. Spürbar wurde allerdings, dass in der Rückschau auf vierzig DDR- Jahre und die nachfolgenden Jahrzehnte Ulbrichts Konturen wesentlich deutlicher sind als vielleicht noch zu seinen Lebzeiten. Der Volksmund sagt, erst wenn man das Dorf verließe, würde man erkennen, wie hoch der Kirchturm ist. Ähnlich ergeht es mitunter historischen Persönlichkeiten. Das Urteil der Nachwelt scheint jedenfalls sachlicher und gerechter.
    Ulbricht hat drei Viertel des 20. Jahrhunderts durchlebt. Mit Höhen und Tiefen, Siegen und Niederlagen, Irrungen und Wirrungen. Mit den Widersprüchen einer Epoche, die oft »Zeitalter der Extreme« genannt wird. Er stellte sich ihr als Kommunist. Kapitulierte nicht vor Schwierigkeiten, nicht vor seinen politischen Gegnern, nicht vor Verleumdungen. Wenn er irrte, war er fähig, sich zu korrigieren. Ich erwarte nicht, dass seine politischen Gegner ihn lobpreisen. Respekt aber vor dem Leben eines deutschen Antifaschisten mit kommunistischer Gesinnung würde sich angesichts seiner Biografie schon geziemen.
    Zwei Weltkriege griffen in Ulbrichts Leben ein. Den Ersten erlitt er als unfreiwilliger Soldat des Kaisers. Am Ende war er Mitglied eines Arbeiter- und Soldatenrates. In seiner Heimatstadt Leipzig wurde er Mitbegründer der KPD. Den Zweiten bekämpfte er lange vor dem ersten Schuss. Schon als bürgerliche Politiker noch darauf setzten, die Nazis würden von allein abwirtschaften. Seine Partei hatte vorausgesagt: Wer Hitler wählt, wählt Krieg.
    Zwei Revolutionen prägten seinen politischen Werdegang: Die russische Oktober- und die deutsche Novemberrevolution.
    Lehren aus der Geschichte zu ziehen, war ihm immer wichtig. Es heißt, Historiker sei sein dritter Beruf gewesen.
    Aktiv war er an den fundamentalen Umwälzungen auf deutschem Boden beteiligt: Die Enteignung der Nazi- und Kriegsverbrecher, die Boden-, Schul- und Justizreform, die Beseitigung des Bildungsprivilegs der Reichen, die Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie die politische Mitbestimmung der Jugend, ihre Rechte auf Arbeit, Bildung und Urlaub gehörten zum Programm der 1946 gegründeten SED. Ulbricht war an der Seite von Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl einer der Ideengeber und Organisatoren dieser
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