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Zeit für Plan B

Zeit für Plan B

Titel: Zeit für Plan B
Autoren: Jonathan Tropper
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einem etwas allzu belesenen Mädchen vom Typ Clark-Kent-ohne-das-Alter-Ego, und der Grund dafür war, denke ich, dass all die Gefühle, die ich für Lindsey empfand und die in meinem Inneren leise vor sich hin köchelten, in der Zwischenzeit irgendwo anders ausgelebt werden mussten.
    Am Tag nach dem College-Abschluss tanzten Lindsey und ich auf einer Party zusammen, wie üblich ein wenig enger, als es die offizielle Grenze für »nur gute Freunde« vorsieht, als sie mich fragte: »Also, Benny, was wirst du jetzt machen?«
    »Ich hab dir doch erzählt, was ich vorhabe«, sagte ich. »Ich nehme mir ein paar Monate frei, um zu schreiben, und dann werde ich anfangen, mich bei ein paar Verlagen vorzustellen.«
    »Nein«, sagte sie, und ihr geschmeidiger Körper hielt auf einmal völlig still, und sie wich ein Stück zurück, um mir in die Augen zu blicken. »Ich meine, was wirst du mit mir machen?«
    Wir blieben zwei perfekte Jahre zusammen, Jahre, aus denen maneine Sechzig-Sekunden-Montage aus Filmausschnitten hätte machen können, mit einem Harry-Connick-Jr.-Song im Hintergrund, wie in
Harry und Sally
. Spaziergänge im Park, Küsse im Regen, Späße auf einem Straßenmarkt et cetera. Zwei Jahre, das war für mich lange genug, um zu glauben, dass es niemals enden würde. Aber das tat es natürlich doch, als Lindsey irgendwann Panik bekam und entschied, dass sie mit vierundzwanzig noch viel zu jung für ein sesshaftes Leben war und dass es an der Zeit war, sich auf den Weg zu machen und die Welt zu entdecken. Sie schmiss ihren Job als Grundschullehrerin und ging auf Weltreise, wobei ihr ein zwischenzeitlicher Job als Flugbegleiterin zugute kam, und ich traf schließlich Sarah wieder, die inzwischen eine Karriere, Ziele und einen etwas höher entwickelten Nestinstinkt hatte.
    Lindsey zog etwa zur selben Zeit zurück nach Manhattan, zu der ich heiratete. In den nächsten paar Jahren fing sie beruflich ständig etwas Neues an, arbeitete in der Werbebranche, dann im Diamantenhandel an der Siebenundvierzigsten Straße und schließlich als Aerobiclehrerin bei Equinox. Die meiste Zeit arbeitete sie zwischen zwei Jobs für eine Zeitarbeitsfirma als Empfangsdame. Was immer sie gesucht hatte, als sie sich auf unbekannte Wege aufmachte, sie hatte es nicht gefunden, und ich hätte mich dadurch eigentlich bestätigt fühlen sollen, aber stattdessen war ich nur traurig. Ich sah sie hin und wieder, wenn wir alle gemeinsam ausgingen, aber wir kamen nie unter vier Augen zusammen. Lindsey hätte es niemals vorgeschlagen, da ich schließlich verheiratet war, und ich hatte Angst davor, mit ihr allein zu sein, denn dann hätte es sich noch schwerer leugnen lassen, dass ich die Falsche geheiratet hatte. Also trafen wir uns im Schutz unserer kleinen Gruppe, blieben sporadisch in Kontakt und versuchten, die Tragik nicht zu erkennen, die darin lag, dass wir zu flüchtigen Bekannten geworden waren.
    »Ben?«, holte mich Lindsey in die Gegenwart zurück.
    »Ja?«
    »Du weinst ja.«
    »Ich bin bloß betrunken«, sagte ich.
    Sie legte den Kopf an meine Schulter und schlang die Hände um meinen Arm. »Armer Ben.«

2

    A m nächsten Tag rief mich Alison im Büro an.
    »Hi, Ben, ist die Zeit okay für einen Anruf?« Alison war Anwältin, und vermutlich eine verdammt gute, auch wenn sie sich wohlweislich dagegen entschieden hatte, Prozessanwältin zu werden. Dazu hat sie eine zu friedliche Natur. Trotzdem, in etwa fünf Jahren würde sie sich bei Davis Polk um eine Aufnahme als Partner bewerben können, daher war es schon ziemlich nett von ihr, mich – einen Artikelredakteur und leitenden Listenverfasser bei
Esquire
– zu fragen, ob die Zeit okay für einen Anruf sei. Wann immer ich mich in erstklassigem Selbstmitleid ergehen wollte, erinnerte ich mich schmerzlich daran, wie aufgeregt ich war, als ich bei
Esquire
eingestellt wurde. Wie ich an meinem ersten Arbeitstag in meiner erbärmlichen kleinen Kabine Platz nahm, mit dem uneingeschränkten Blick auf die Wand, die Beine auf das Resopalbrett legte, das zwischen den beiden Seitenwänden aufgehängt war und mir als Schreibtisch diente, und mich lächelnd darüber freute, dass ich das große Los gezogen hatte. Ich war so sicher, dass es nur eine Frage von Monaten sein würde, bis ich die Leute mit meinen Schreibkünsten vom Hocker reißen und von meinem Korrekturlesen und Themensammeln zu erhabeneren Schreibaufträgen aufsteigen würde. Vielleicht würde ich sie sogar bewegen können, eine meiner
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