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Wohin das Herz uns trägt

Wohin das Herz uns trägt

Titel: Wohin das Herz uns trägt
Autoren: Kristin Hannah
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Söhne und Töchter der Pioniere, die es gewagt hatten, sich unter diesen hoch aufragenden Baumriesen niederzulassen.
    Heute jedoch wurde ihr Langmut auf eine harte Probe gestellt. Man schrieb den 17. Oktober, und der Herbst hatte gerade das Wettrennen gegen den nahenden Winter verloren. Oh, die Bäume trugen noch ihre farbenfrohen Festgewänder, die Wiesen waren nach den Spätsommertagen nun nicht mehr braun, sondern wieder grün geworden, aber es ließ sich dennoch nicht leugnen, dass der Winter Einzug gehalten hatte. Die ganze Woche schon hing der Himmel tief über dem Land, bedeckt von mehreren Schichten düsterer grauer Wolken. Seit sieben Tagen regnete es beinahe ununterbrochen.
    An der Ecke von Wheaton Way und Cates Avenue befand sich das Polizeirevier, ein massives graues Steingebäude mit einem Kuppeldach und einem Fahnenmast auf dem grünen Rasen davor. Im Innern des nüchternen Bauwerks reichte das Neonlicht kaum aus, um das Grau einigermaßen in Schach zu halten. Zwar war es erst vier Uhr nachmittags, aber dank des Wetters kam es einem viel später vor.
    Die Menschen, die hier arbeiteten, versuchten die widrigen Umstände zu ignorieren. Wenn man sie gefragt hätte was natürlich niemand tat hätten sie wahrscheinlich eingeräumt, dass vier oder auch fünf Regentage völlig akzeptabel waren, vielleicht sogar noch ein paar mehr, wenn es nur nieselte. Doch die jetzige Schlechtwetterperiode war für die Jahreszeit sehr ungewöhnlich. Es war schließlich nicht Januar! Anfangs hatten sie an ihren Schreibtischen gesessen und sich gutmütig darüber beklagt, wenn sie auf dem Weg vom Auto zur Tür nass geworden waren. Inzwischen trommelte der Regen schon so lange aufs Dach, dass man gar keine Lust auf derartige Gespräche mehr verspürte.
    Ellen Barton, von ihren Freunden - das heißt eigentlich von sämtlichen Einwohnern der Stadt - kurz Ellie genannt, stand am Fenster und starrte hinaus auf die Straße. Der Regen ließ alles irgendwie unwirklich erscheinen. In der Fensterscheibe, von der das Wasser perlte, erhaschte sie einen Blick auf sich selbst, kein richtiges Spiegelbild, eher ein Schemen, der sich für einen Moment auf dem nassen Glas zeigte. Wie immer sah sie eine jüngere Version ihrer selbst - lange, dichte schwarze Haare, kornblumenblaue Augen, ein strahlendes Lächeln, das gern und oft auf ihrem Gesicht erschien. Ein Mädchen, das in der Schule alle möglichen Beliebtheitswettbewerbe gewonnen hatte und zur Anführerin der Cheerleader gewählt worden war. Wie gewöhnlich, wenn sie an ihre Jugend dachte, sah sie sich in Weiß. Die Brautfarbe. Die Farbe der Zukunftshoffnungen. Des Wunschs nach einer Familie.
    »Ich muss unbedingt mal eine rauchen, Ellie, das weißt du doch. Bisher habe ich mich echt gut gehalten, aber allmählich wird es kritisch. Wenn ich nicht bald eine Zigarette kriege, mach ich mich über den Kühlschrank her.«
    »Lass es nicht zu, Ellie!«, rief Cal von seinem Platz am Telefon aus. In der Highschool hatten Ellie und ihre Freundinnen ihn wegen seiner schwarzen Haare und scharfen Gesichtszüge »Krähe« genannt. Er war schon immer knochig und ein bisschen ungelenk gewesen, so, als wäre er in seinem Körper nicht richtig zu Hause. Mit seinen fast vierzig Jahren hatte er sich sein jungenhaftes Aussehen bewahrt, nur die dunklen, durchdringenden Augen verrieten seine Lebenserfahrung. »Eiserne Disziplin, keine Zugeständnisse. Was anderes funktioniert doch eh nicht.«
    »Ach, halt den Mund!«, fauchte Peanut.
    Ellie seufzte. Vor gut einer Viertelstunde hatten sie die gleiche Diskussion schon einmal geführt. Sie stemmte die Hände in die Taille, sodass ihre Fingerspitzen den schweren Pistolengürtel auf ihren Hüften berührten. Dann wandte sie sich an ihre beste Freundin: »Also, Peanut, du weißt ja, was ich dazu zu sagen habe. Wir befinden uns in einem öffentlichen Gebäude. Ich bin die Polizeichefin. Wie kann ich zulassen, dass du das Gesetz missachtest?«
    »Genau!«, rief Cal. Gerade machte er den Mund auf, um etwas hinzuzufügen, da kam ein Anruf, und er meldete sich. »Polizeirevier Rain Valley.«
    »Oh, richtig«, gab Peanut derweil zurück. »Und auf einmal bist du die große Gesetzeshüterin, Ellie. Was ist mit Sven Morgenstern - der parkt jeden Tag vor seinem Laden, direkt am Hydranten. Wann hast du sein Auto das letzte Mal abschleppen lassen? Und Large Marge klaut jeden Sonntag nach der Kirche zwei Schachteln Eis und ein Fläschchen Nagellack im Drogeriemarkt. Es ist
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