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Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Titel: Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich
Autoren: Claudia Seidert
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Hurry and come now
    Aus gegebenem Anlass schrieb der schwedische Seemann Charley Högberg an seine Nichte Ady einen besorgten Brief. Charley und seine Frau Netje hatten allen Grund dazu: Der Krieg war seit gut einem Jahr vorüber, aber sie hatten gehört, wie es im Nachkriegsdeutschland stand. Ihre Nichte war zart, oft nicht bei guter Gesundheit, und nun mussten sie das Schlimmste befürchten.
    Unser liebes kleines Mädchen Ady.
    Vielen Dank für deinen lieben Brief, den wir gerade erhalten haben. Wir sind beide gesund und hoffen, du bist es ebenso. Wir hören, es sind sehr schwere Zeiten für dich im Moment, aber vielleicht wird es bald besser. Wann wirst du dich entschließen und vielleicht nach Schweden kommen? Du weißt, du bist immer willkommen, und hier gibt es alle Arten von netter, leichter Arbeit für dich im Büro. Sie suchen täglich in den Zeitungen nach Mädchen, die verschiedene Sprachen sprechen, und ich gehe davon aus, dass du hier auch einen netten Freund finden kannst. Tantchen geht nicht zurück nach Belgien, das sagt sie nur, wenn ich weg bin und sie sich allein fühlt, aber wenn du hier wärst, könntest du mit ihr oft Schaufensterbummel machen, hier gibt es so viele hübsche Geschäfte. So wartet sie nur darauf, dass du herüber kommst. Es wäre für dich sehr einfach, einen Pass zu bekommen. Ich werde jetzt für drei oder vier Monate zuhause sein, dann segle ich wieder nach England für drei Wochentrips und bin für 10 Tage zuhause, das ist nicht so schlecht.
    Jetzt will ich für diesmal mein Schreiben beenden, mit den liebsten Grüßen und Küssen von deiner dich immer liebenden Tante und Onkel Charley.
    PS: Eil dich und komm jetzt.
    Als der Brief geschrieben wurde, am 15. September 1946, war Adriana seit einem Jahr verheiratet und lebte als Frau Kocyan im kriegszerstörten Bottrop. Von Kindesbeinen an wurde sie Ady genannt. Sie war die Tochter von Netjes Schwester in Antwerpen. Charley und Netje Högberg schienen von der Heirat nichts zu wissen, als sie ihre Nichte beschworen, möglichst schnell nach Schweden zu übersiedeln – und das anscheinend nicht zum ersten Mal.
    Auszug des Briefes im Original v. 15. Sept. 1946

Man kann doch einen Menschen nicht einfach wegwerfen
    Adriana Kocyan trat auf eigenwillige Weise in mein Leben. Wenn man es genau nimmt, in einem Koffer. Eine erste Begegnung mit ihr hatte ich durch meine Freundin, die Fotografin Renate Niebler, diemir Fotos und Papiere zeigte, die ihr vor Jahren einmal als Vorlage für Collagen gedient hatten, Dokumente und Fotografien, hauptsächlich von Frauen, Frauen in verschiedenen Lebensaltern.
    Ein Bild zog mich magisch an. Es stammte offensichtlich aus der Zeit etwa um 1920. Vor einem gemalten Prospekt mit einer Flusslandschaft stand eine kompakte Frau mit großem Hut und einem langen dunklen Mantel. Sie schien trotz ihrer Korpulenz zu tänzeln, in schmalen geschnürten Stiefeletten. Um ihren Hals wand sich ein Fuchspelz, dessen Ende lässig herunterhing. Die einzige horizontale Linie, die der wie schwebenden Figur Halt zu geben schien, war ihr Regenschirm, den sie mit beiden Händen wie zufällig vor sich hielt. Augen und Mund lächelten, ihr schien es Vergnügen bereitet zu haben, als der Fotograf sie in seinem Studio ablichtete. Heiterkeit und Leichtigkeit gingen von diesem Bild aus.
    Maria, Adrianas Mutter, etwa 1920
    Und dann gab es noch Bilder einer anderen Frau, einer jüngeren, die etwas eigenartig Zwiespältiges zwischen Koketterie und Schüchternheit ausstrahlte. Die Frau wirkte selbstsicher, und dennoch schien sie sich hinter ihrer jeweiligen Pose zu verschanzen. Sie posierte auf so gut wie allen Bildern.
    Die Bilder und Dokumente stammten aus dem Altersheim, in dem Renates Mutter ihre letzten Lebensjahre verbracht hatte. Die jüngere Frau auf den Bildern war dort eine der Heimbewohnerinnen gewesen und Jahre zuvor, ohne Angehörige zu hinterlassen, verstorben. Aus den Fotografien und Dokumentfragmenten fertigte Renate Collagen an, die heute einen Aufenthaltsbereich des Heimes schmücken.
    Die wenigen Papiere, die sie von der Frau besaß, gaben einigen Aufschluss: Sie war am 24. Juni 1913 in Antwerpen geboren undhatte zu Lebzeiten anscheinend verschiedene Namen benutzt: Einmal lautete er Adrienne, auf einem anderen Papier Orianna, auf einem weiteren Adriana. Adriana Van den Eynde, ein Name wie aus einem Drehbuch von Hitchcock: Schöne junge Frau gerät in den Wirren des Krieges zwischen die Fronten und wird so heldenhaft wie
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