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Wohin das Herz uns trägt

Wohin das Herz uns trägt

Titel: Wohin das Herz uns trägt
Autoren: Kristin Hannah
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hielt, sobald jemand vorüberkam.
    An der Ecke von Olympic und Rainview blieb Julia stehen.
    Sofort hielt Alice ebenfalls inne, drückte sich an sie und steckte zum ersten Mal seit Wochen wieder Schutz suchend die Hand in Julias Tasche. »Also, Alice«, sagte Julia und sah sie an. »Wir haben uns lange über all das unterhalten. Du brauchst wirklich keine Angst zu haben.«
    Alice blinzelte zu ihr empor. Obwohl sie in den vergangenen neun Monaten zugenommen hatte und über zwei Zentimeter gewachsen war, hatte sie immer noch das winzige herzförmige Gesicht, in dem ihre ausdrucksvollen blaugrünen Augen viel zu groß wirkten. Heute, in ihrem rosa Cordrock mit passender Strumpfhose und einem weißen Pulli, sah sie ansonsten aus wie ein ganz normales Mädchen am ersten Schultag. Nur ein sehr aufmerksamer Beobachter hätte bemerkt, dass ihr für ein Vorschulkind zu viele Zähne fehlten und dass sie ihre Mommy manchmal Dschulie nannte. »Alice keine Angst.«
    Julia ging mit ihr zu einer nahen Parkbank und setzte sich unter den großen Ahornbaum, dessen Blätter so gelb waren wie reife Zitronen. Ab und zu segelte eines davon zu Boden. Julia zog Alice auf ihren Schoß. »Ich glaube, du hast doch ein bisschen Angst.«
    Alice steckte den Daumen in den Mund, zog ihn allerdings gleich wieder heraus. Schließlich gab sie sich alle Mühe, ein großes Mädchen zu sein. Ihr rosa Rucksack - den ihr Vater ihr vor kurzem geschenkt hatte - fiel neben ihr zu Boden. »Die nennen Alice Wolfmädchen«, sagte sie leise.
    Julia strich ihr über die Wange. Zu gern hätte sie erwidert: Nein, das tun sie nicht , aber Alice und sie hatten zu viel durchgemacht, um sich irgendwelche Lügenmärchen zu erzählen. »Möglicherweise tun sie das. Wahrscheinlich weil sie sich wünschen, sie würden auch einen Wolf kennen.«
    »Vielleicht Schule lieber nächstes Jahr?«
    »Nein, du bist jetzt so weit.« Sanft schob Julia Alice von ihrem Schoß. Sie standen auf und fassten sich an den Händen. »Okay?«
    In diesem Moment hielt ein Auto neben ihnen, alle vier Türen flogen gleichzeitig auf, und drei Mädchen quollen heraus, kichernd und lachend. Die beiden älteren rannten vorneweg.
    Ellie, in Uniform, müde und wunderschön, nahm Sarah bei der Hand und ging mit ihr auf Julia zu.
    »Du warst natürlich mal wieder superpünktlich«, stöhnte sie. »Aber schließlich musst du ja auch nur ein Kind fertig machen. Die drei hier organisiert zu kriegen ist schlimmer, als einen Sack Flöhe zu hüten. Und Cal kann man auch glatt vergessen. Sein Verlagstermin hat zu einem spontanen Hörverlust geführt.« Sie lachte. »Vielleicht liegt es ja auch an mir, weil ich ihm ständig sage, er soll mir zuhören.«
    Sarah, in Jeans und rosa T-Shirt, auf der Schulter einen Rucksack mit Motiven aus »Große Haie - Kleine Fische«, sah Alice an. »Na, freust du dich auf die Vorschule?«
    »Angst«, antwortete Alice. Mit einem Blick zu Julia verbesserte sie sich: »Hab Angst.«
    »Ich hatte am ersten Tag auch Angst. Aber dann hat es Spaß gemacht«, erklärte Sarah. »Es gab sogar Kuchen.«
    »Ehrlich?«
    »Magst du mit mir gehen?«, fragte Sarah.
    Alice sah wieder Julia an, die ermutigend nickte. »Okay.«
    Alice formte mit den Lippen die Worte: Bleib da. Julia nickte erneut und lächelte.
    So machten sich die beiden Mädchen auf den Weg.
    Ellie und Julia folgten ihnen. »Wer hätte das gedacht?«, sagte Ellie nachdenklich. »Wir beide bringen zusammen unsere Töchter zur Schule.«
    »Das ist der Anfang einer neuen Familientradition. Wie weit seid ihr mit eurem neuen Badezimmer?«
    »Cal hat einen Jacuzzi bestellt.« Ellie grinste. »Groß genug für zwei. Nächstes Frühjahr will er mit dem Anbau beginnen. Drei Mädchen in unserem alten Schlafzimmer - das ist ein wahrer Albtraum. Sie streiten sich ununterbrochen.«
    »Hast du deine neuen Nachbarn schon kennengelernt?«
    »Ja, ein Pärchen aus Kalifornien. Mit zwei Söhnen, die den Mädchen jetzt schon nachlaufen wie liebeskranke Hündchen. Ich könnte mich totlachen. Cal nicht. Aber ich glaube, er ist trotzdem froh, dass Lisa ihn dazu gebracht hat, das Haus zu verkaufen. Zu viele Erinnerungen.«
    »Er hat sowieso schon immer in unser Haus gehört.«
    »Ja«, bestätigte Ellie, und man hörte ihr deutlich an, dass sie bis über beide Ohren verliebt war. Nach zwei Hochzeiten mit allen kostspieligen Schikanen hatte sie jetzt in einer winzigen Kapelle auf dem Strip von Las Vegas endlich ihr Glück gefunden.
    Sie überquerten die
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