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Wohin das Herz uns trägt

Wohin das Herz uns trägt

Titel: Wohin das Herz uns trägt
Autoren: Kristin Hannah
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versuchte sich möglichst wenig aufzuregen, wenn ein anderer Autofahrer sie abdrängte oder einfach frech vor ihr einscherte. Damit musste man in dieser gefährlichsten Jahreszeit Südkaliforniens immer rechnen, denn die erhitzten Gemüter fingen ebenso schnell Feuer wie die ausgetrockneten Gärten. Die Hitze machte die Leute nervös.
    Schließlich erreichte sie die Ausfahrt zum Gericht und verließ den Freeway.
    In der Nähe des Gebäudes wimmelte es von Übertragungswagen, auf der Freitreppe lauerten die Reporter mit gezückten Mikrofonen und Kameras und warteten, dass es endlich losging. Anscheinend gehörte das in Los Angeles mehr und mehr zum Alltag - Gerichtsprozesse als Medienereignis. Michael Jackson. Courtney Love. Robert Blake.
    Julia bog um die Ecke und fuhr zu einem Seiteneingang, wo ihre Anwälte schon auf sie warteten.
    Dort parkte sie, stieg aus und wollte sich selbstbewusst auf den Weg machen, konnte sich jedoch eine schreckliche Sekunde lang nicht von der Stelle rühren. Du bist unschuldig, rief sie sich in Erinnerung. Das werden sie merken. Das System wird funktionieren. Sie zwang sich, immer einen Fuß vor den anderen zu setzen, dann noch einen. Ein Gefühl, als müsste sie sich durch unsichtbare Drahtschlingen eine Steigung emporkämpfen. Als sie endlich bei den anderen ankam, brachte sie nur unter Aufbietung aller Kräfte ein Lächeln zustande. Aber auf eins konnte sie sich zum Glück verlassen: Dieses Lächeln wirkte echt. Jeder Psychologe wusste, wie man das bewerkstelligte.
    »Hallo, Dr. Cates«, sagte Frank Williams, der Leiter des Verteidigerteams. »Wie geht es Ihnen?«
    »Gehen wir«, antwortete sie nur und überlegte, ob sie wohl die Einzige war, die das leichte Zittern in ihrer Stimme wahrgenommen hatte. Sie hasste diesen untrüglichen Beweis ihrer Angst. Gerade heute musste sie besonders stark sein, um der Welt zu zeigen, dass sie in ihrem Beruf wirklich so kompetent war, wie alle dachten, und dass sie sich absolut gar nichts hatte zuschulden kommen lassen.
    Ihre Anwälte scharten sich schützend um sie, und sie war dankbar für diese Unterstützung. Obwohl sie ihr Bestes tat, um professionell und selbstsicher zu wirken, war diese Haltung doch nicht mehr als eine bröckelnde Fassade, die von einem einzigen falschen Wort zum Einsturz gebracht werden konnte.
    Gemeinsam traten sie durch die Schwingtüren ins Gerichtsgebäude.
    Sofort setzte ein Blitzlichtgewitter ein, das anscheinend nur auf diesen Moment gewartet hatte. Fotoapparate klickten, Filmkameras surrten, Reporter stürzten auf die Gruppe zu, alle redeten gleichzeitig und versuchten einander zu übertönen.
    »Dr. Cates! Wie fühlen Sie sich nach all dem, was passiert ist?«
    »Warum haben Sie die Kinder nicht gerettet?«
    »Wussten Sie von der Schusswaffe?«
    Frank legte den Arm um ihre Schultern und zog sie dicht neben sich. Sie barg das Gesicht an seinem Revers und ließ sich von ihm weiterführen.
    Im Gerichtssaal nahm sie auf der Anklagebank Platz, und ihr Team versammelte sich um sie, einer nach dem anderen, während sich die Juniorpartner und Berater in der vordersten Reihe der Saalbestuhlung niederließen.
    So gut sie konnte, ignorierte sie den Lärm - die Tür, die sich quietschend öffnete, um gleich darauf wieder zuzuknallen, Schritte, die klackernd über den Marmorboden eilten, flüsternde Stimmen. Die leeren Sitzreihen füllten sich rasch, das wusste sie, ohne sich umzudrehen. Dieser Gerichtssaal war heute der interessanteste Ort in ganz Los Angeles, und da die Richterin Kameras untersagt hatte, drängten sich garantiert jede Menge Journalisten und Gerichtszeichner mit gezückten Stiften auf den verfügbaren Plätzen.
    Im Lauf des letzten Jahres hatte es eine endlose Serie von Artikeln über Julia gegeben, und sie war ständig von irgendwelchen Fotografen abgelichtet worden - während sie den Müll hinaustrug, auf dem Balkon stehend, wie sie ihre Praxis betrat und wieder herauskam. Die am wenigsten schmeichelhaften Schnappschüsse schafften es jedes Mal auf die Titelseite.
    Die Reporter hatten praktisch ihre Zelte vor ihrem Haus aufgeschlagen. Obwohl sie nie ein Wort mit ihnen wechselte, schrieben sie unermüdlich weiter, berichteten über ihre kleinstädtische Herkunft, ihre tolle Ausbildung, die Trennung von Philip. Sie spekulierten sogar darüber, ob sie in letzter Zeit magersüchtig geworden war oder ob sie sich Fett hatte absaugen lassen. Das einzig Wichtige an ihr erwähnten sie jedoch nie, nämlich dass sie
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